Lieber Hinterbänkler,
als ich Deine Antwort las, war ich tatsächlich etwas ratlos, ob meiner Nacktheit.
Hätte ich mich besser noch länger bedeckt gehalten.
Selbstkasteit, selbstkastriert und selbstentmannt und selbstbeherrscht allerorten.
Damit will ich nicht der Disziplinlosigkeit das Wort reden.
Aber was ist denn das anderes als Selbstgeißelung wenn wir es nicht wollen und fühlen?
Überhaupt sollte in mancher Überspitzung meiner belanglosen Worte mehr
als nur offenkundig sein, wie viel Respekt ich besonders für die Originale hier pflege.
Da sollte die Komik doch eben darin bestehen, daß das Behacken des lüstern über
das Wasser gen Himmel trotzenden Eisbergs, nicht der Raub von Würde sondern
ein übermütiges Frotzeln aus dem plötzlichen Wohlgefühl ist.
Gefühlt habe ich zehntausend mal preisgegeben, wie sehr ich das Treiben und die
Großväter hier schätze (die überraschenderweise keine Frage des Alters ist),
und komme mir beizeiten dabei heuchlerisch und verlottert vor.
Manchmal mag es etwas zu viel der Ehre sein, aber mit Lobhudelei und auch der
hier protokollierten Frotzelei will ich nur ehrlichen Respekt bekunden.
Ich gehe nun in die Vierziger, und viel war mir nicht erspart geblieben.
Da mag ich jammern.
Aber das sind welche, durch die sind während ihres Siechtums Bäume
durchgewachsen, oder gaben den Löffel in Stalingrad ab, ohne je
die leiblichen Genüsse des Daseins nur angetastet zu haben.
Manchmal fuhrr einfach nur gnadenlos endlich, endlich ein Panzer drüber.
Den Schmerz von Frost kennt doch keiner.
Hunger kenne ich auch nicht.
Wer bin ich, wenn ich mich trotzig erhebe? Ein ungezüchtigter frecher Bengel?
Da fängt es doch erst an; an den Grenzen der selbst gesteckten Territorialen Grenzen des Ichs.
Wir glänzen sinnlos falsch umher, verwirren einander und sind teilweise stolz darauf.
Ich erlaube mir, mich zu nicht unwesentlichen Teilen dabei auszuklammern.
Aber ich bin mitnichten ein "dedicated follower of fashion" wie einst die Kinks sangen.
Ohne rüde Willkür oder obskure Dünkel meinerseits, habe ich in meinem Leben auch schon einiges
erlebt, und sehe auf dem Appellplatz keine Streiter an meiner Seite.
Da kann ich Dir sagen, daß es eine wahre Freude ist, intelligente Leute ausformulieren zu sehen,
was einen selbst umtreibt; auch wenn es nur oft an der Oberfläche kratzt.
Ich bleibe davon natürlich nicht unbekümmert, und lasse mich oft weiter darauf ein, als es der
reine Verstand gebietet.
Nur versuche ich mir dabei bewußt zu sein.
Tja, der Blues… ich hatte den in den letzten zwei Jahren eher als unbekümmerten Fatalismus
mit den Hohen Kragen der Erfahrung verortet.
Ich lese Dich furchtbar gerne, aber das ja noch lange nicht, daß ich Dich dabei auch komplett verstehen kann.
Gefühlte tausend Male habe ich Baldur das ein oder andere Kotelett an die Eiswindgestählte Wange gelabert,
aber was ich damit sagen wollte, war stets: "komisches Maneuver, aber eine Einmannarmee stellt sich als Reserve auf."
Nachdem ich über eine Dekade niedergetrampelt wurde, und endlich an der Flanke stehe, reiße ich nicht in Luft und Liebe aus.
Für mich gibt es hier handfest etwas zu tun, und wenn es nur die pure schwache Präsenz ist.
Mir war immer klar, das leben bedeutet, hart zu werden. Es ist gut jetzt. Es reicht wirklich.
So lange haben selbst die beiden technologisierten Großkriege auf diesem Kontinent nicht gedauert.
Ich bin froh, beide Beine und Arme zu haben.
Was diese doch noch angemessen milden Erfahrungen mit dem Geist anstellen, ist vielleicht gar nicht
so übel, wie es auf den ersten Blick scheint.
Ich verstehe nicht, was daran reizvoll sein soll, einem Menschen mit dem Gesicht im Dreck noch auf den
Hinterkopf treten zu müssen.
Es ist das Elendeste und würdeloseste das meine Vorstellung zuläßt.
Vielen degenerierten Gestalten dieser Tage ist der Gewaltexzess so etwas wie eine nachgeholte Pubertät.
Eines jeden innere Hölle dürfte bei genug Ausleuchtung genug Dreck am Stecken offenbaren, daß
es eben nicht zum Fanal taugt.
Diesen Zustand gilt es zu überwinden, finde ich.
Doch ob ein Endlos-Überlebensmodus der Sache dienlich ist, weiß ich nicht.
Aber ich bin mir sicher, daß vom Himmel fallendes Manna meiner Selbstverständlichkeit keinen wahren
Gefallen getan hätte.
Ein scheiß Narzißt ist man, wenn man sich der Läuterung verschließt, und stattdessen fein gehüllt zu sein beliebt.
Irgendwann steht mal ein tapferer alleine gegen eine Übermacht.
Da ist es doch eine Wohltat, aus der weiten Ferne ein Grollen zu vernehmen,
mit der Botschaft doch nicht so allein zu sein.
Soll es nicht beim "Wintergewitter" bleiben.
Ob Flügelreiter über die Hügelspitze kommen, und Fahrt aufnehmen, oder nur ein paar
Bärtige mit Feuer in den Augen hastig aus dem Dickicht springen,
was ist dann schon Überzahl und Dünkel wert?
In der Gegenwart von wahrer Stärke entblößt sich das Niedere schon selbst.
Aber leider auch erst dann. Vorher findet der Spuk kein Ende.
Ich sehe auch wenig sinn in einer leidenschaftlichen Zerstörung des Status Quo in Gänze.
Zu viele sind davon Abhängig, und das ist schmerzvoll anzusehen.
Jeder könnte einer von ihnen sein.
So lange der Überlebensmodus vorherrscht und Bekloppte Backsteine auf den Lebensweg
des einzelnen werfen, will sich auch keine nötige Tiefenentspannung einstellen.
Nennen wir diese Kollaborateure des Lebens nun Attentäter, Lehrmeister, Schädlinge,
Engel aus der Hölle, verirrte Seelen, Vollstrecker des Schicksals, oder sonstwie?
Sich in eine Metaperspektive zu schwingen, und ehrlich nach Sinn, Ursprung und
"Wahrheit" zu suchen, ist seltenes Werk.
Austeilen können alle mit Wonne, aber einstecken und stehenbleiben, nur wenige.
Alles was passiert ist endliches Spektakel. Der Rest ist ungewiß oder/und vergessen.
Vermutlich ist das alles auch gar nicht so wichtig, außer der Tatsache durch eben
diesen Sumpf waten zu müssen.
Es ist halt nun mal nicht klug, wenn übermütige Jugendliche über die Gebrechlichkeit
von Greisen lachen.
Mit einem lieben Gruß in Emmental