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Maichles Methodik (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Freitag, 02.06.2017, 10:42 (vor 2729 Tagen) @ Leserzuschrift (3683 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 30.08.2017, 19:25

Hallo!

Maichle:
"Die vollständige Dokumentation zur Dechiffrierung des betreffenden Vierzeilers wird hier in einer AES-verschlüsselten Datei hinterlegt. Diese wurde mit CrypTool 1.4.31 Beta 06 erstellt und ist nur mit dem darin enthaltenen AES-Programm zu öffnen. Bitte laden Sie das Programmpaket herunter - die exakten Anweisungen zum Öffnen der Datei werden unmittelbar nach dem Großereignis hier bekannt gegeben."

Und wenn nichts passiert, gibt es eben keinen Dechiffrierungscode. Dann bliebe die Art seines Irrtums dem Leser nicht nachvollziehbar, und er könnte in Zukunft munter weitere Behauptungen aufstellen. :lol2:

"Unter Kryptologen ist jedoch allgemein bekannt, daß Leon Battista Alberti im Jahre 1466 sein Werk „De Componendis Cifris“ publizierte, in dem erstmalig eine Chiffrierscheibe vorgestellt wurde, die auch polyalphabetische Verschlüsselungen von Texten erlaubte. Leon Battista Albertis Chiffrierscheibe funktioniert nach dem Prinzip der Buchstaben-Buchstaben-Ersetzung. Ausschließlich jener Empfänger vermochte einen verschlüsselten Text in lesbare Form zu bringen, wenn er Kenntnis über alle Schlüssel hatte, mit der der Absender eine Textnachricht chiffrierte.

"Michel Nostradamus, der fast ein Jahrhundert später seine Prophezeiungen erstpublizierte, scheint Leon Battista Albertis Chiffrierscheibe seinen ureigensten Zwecken angepaßt zu haben, indem er nicht Buchstaben durch Buchstaben ersetzte, um einen Text unkenntlich zu machen, sondern Zahlen durch Buchstaben ersetzte, um Jahreszahlangaben verborgen zu überliefern."

Das auf Nostradamus zu übertragen, ist kurios, denn bei den Centurien handelt es sich mitnichten um nicht lesbare Texte (also Buchstabenwirrwarr), sondern um lesbare Texte, die inhaltich lediglich nicht verständlich sind. Nostradamus griff auf Symbole aus Mythologie, Religion, anderen Sprachen etc. zurück, um die Bedeutung der Verse zu verschleiern.

"Eine Überprüfung anhand der frühesten Editionen des Jahres 1555 (Albi, Wien) bestätigt eine Angabe Roger Frontenacs - nicht 26 Buchstaben unseres heutigen Alphabets wurden verwendet, sondern nur 21"

Das ist allerdings keine geheime Absicht des Nostradamus, sondern schlichtweg eine damalige sprachliche Eigenheit, wenigstens bei Großbuchstaben.

  • J = I
  • U = V (Darüber hinaus gibt es nur wenige französische Wörter, die mit "u" beginnen. Im 600 Seiten dicken Französischteil meines Langenscheidts, nimmt "u" gerade mal drei Seiten ein. :-P Gängig war/ist die Schreibung mit "ou", z. B. "outrage" von lat. "ultraticum". Heißt: "u" ⇒ "ou". Das Fehlen mit großem "U" beginnender Wörter ist daher kein Wunder.)
  • Bei W (UU), X und Z gab es damals schlicht keine französischen Wörter, die damit hätten beginnen können. :-D

"Den zweiten natürlichen Algorithmus erhält man, wenn man die Initialbuchstaben der Vierzeiler in vertikaler Richtung solange selektiert, bis die Reihe von 21 Buchstaben vollständig ist:"

Die Intialen kommen am Kapitelbeginn jeder Centurie und der Prosatexte vor. Das war damals gang und gäbe, ohne daß man damit eine Besonderheit verbinden müßte.

"Die Buchstabensequenz Neutral ist aus den Vierzeiler-Texten nicht abzuleiten, spielt jedoch nach einigen experimentellen Durchläufen bei der Dechiffrierung von Jahreszahlen in den Vierzeilern eine unersetzliche Rolle."

Es handelt sich dabei einfach um das damalige französische Standardalphabet, nicht um eine Geheimchiffre. Daß er dieses nicht als gesondertes Prinzip neben seiner generellen Verwendung indentifizieren konnte, verwundert nicht. Darüber hinaus ist klar, daß jedwede Chiffrierung (ob eingebildet oder echt) auf dem verwendeten Buchstabenrepertoire basieren muß. Worauf denn sonst? Daß er es verwendet und zu irgendwelchen Ergebnissen kommt, beweist also nicht, daß er eine valide Verschlüsselung entdeckt hätte. Das würden allein die Ergebnisse belegen. ;-)

"Zum Dechiffrieren von Vierzeilern ist stets die Textversion der jeweiligen Erstpublikation heranzuziehen."

Wie kommt er darauf, daß die Erstausgaben die vorzuziehende Variante wären, statt etwa die Gesamtausgabe von 1568, die noch von Nostradamus selbst erstellt/redigiert wurde?

Was die Beispiele angeht.
Wäre es denkbar, daß er lediglich zwei Beispiele gewählt hat, mit denen er tatsächlich zufällig oder nach längerem Tüfteln zu einem passenden Ergebnis gekommen ist, daß diese Methode beim erdrückenden Rest der Centurien also gar nicht funktioniert?
Voraussetzung scheint zu sein, daß der Quatrain bereits auf anderem Wege sinnvoll zugeordnet wurde, damit er seinen Schlüssel auf ein historisch bekanntes Ereignis anpassen kann.

Bei I/35 verschiebt er die Buchstaben in "neutral" um 11 Stellen und überträgt die entsprechenden Zahlenwerte:
Zeile 1: 1 Jahr
Zeile 2: 1 Jahr, 6 Jahre
Zeile 3: 51 Jahre
Zeile 4: 15 Jahrhunderte

Womit legitimiert er den Zahlendreher in Zeile 3? Er ist allerdings nötig, um das Ergebnis passend zu machen.
Womit begründet er die Verschiebung ausgerechnet um 11 Stellen?
Womit legitimiert er die Zählung der Zahlen als Jahre, während er bei XII/36 auch nach Jahrzehnten und Tagen zählt?

Mir scheint, er wählt seine Zählmethodik gezielt so aus, um auf das gewünschte Jahr zu kommen. Das kann bei bereits eingetretenen und erfolgreich zugeordneten Vierzeilern funktionieren. Bei künftigen Ereignissen, deren Datum nicht bekannt ist, versagt diese Methodik. Sie läßt sich erst nachträglich auf bekannte Daten anpassen.

Bei XII/36 fällt übrigens auf, daß er als Großbuchstaben auch die Anfänge der Eigennamen miteinbezieht. Diese sind allerdings nicht groß geschrieben, weil es Nostradamus zur Verschlüsselung so bestimmte, sondern weil es eben Eigennamen sind. Die Chiffre würde also maßgeblich vom Handlungsort des Vierzeilers bestimmt werden. Das widerspricht der Grundbedingung des Chiffrierens, derzufolge die Buchstaben vom Autor so gewählt werden müßten, daß sie auf die zu verschlüsselnde Jahreszahl passen. Konsequenterweise läßt er diese Großbuchstaben in seiner Deutung einfach wieder weg. :-D

"Der Autor verzichtet bewußt auf die Offenlegung aller Vierzeiler, die unsere unmittelbare Zukunft betreffen. Die hier beschriebene Vorgehensweise zur Dechiffrierung von Jahreszahlen in den Vierzeilern ist dazu prinzipiell geeignet und für jeden sofort anwendbar."

Somit ist dem Leser die Validität der Methode auch künftig nicht nachvollziehbar. Maichle bleibt es aber unbenommen, nach Ereignissen Vierzeiler und deren Dechiffrierung zu veröffentlichen, die er mit Glück und Herumbiegen auf das Ereignis beziehen kann, um Scheinbestätigungen seiner Methode zu generieren.

"Selbstredend überlieferte Nostradamus die meisten Vierzeiler, die für unsere Tage relevant sind, mit nur vier Initialen!"

Wie passend. Das bewahrt ihn vor nicht zu bewältigenden Schwierigkeiten. Was würde er ansonsten mit den zahlreichen Wörtern anfangen, die durchgängig in Großbuchstaben gedruckt sind, z. B. in VIII/1:

[image]
(Eigene Darstellung auf Basis der Ausgabe Lyon 1568.)

⇒ Initialen und eine Masse Großbuchstaben, die Maichle zum Schwitzen bringen würden. Vielleicht hat Nostradamus ja auch Stunden, Minuten und Sekunden chiffriert? ;-)

Anders als bei den am Anfang jeder Zeile, bei Kapitelanfängen und bei Eigennamen standardmäßig verwendeten Großbuchstaben, kann man davon ausgehen, daß mit den willkürlich durchgängig groß geschriebenen Wörtern tatsächlich ein Rätsel vorliegt. Dieses bezieht sich aber nicht auf einen durchgängig über alle Vierzeiler anzuwendenden Schlüssel, sondern auf den konkreten Inhalt des Vierzeilers. Diese nicht systematische, sondern von Nostradamus gezielt eingebaute Besonderheit ignoriert Maichle aber.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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