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Weg vom irrationalen Glaubenwollen (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Donnerstag, 03.08.2017, 09:38 (vor 2651 Tagen) @ Altmarkwolf (5892 Aufrufe)

Hallo!

Ex quo ist, was du hier in den Raum stellst, eine unbewiesene Behauptung, was wiederum mal wieder zeigt, wie versteift hier manche Schreiber sind in ihrer Haltung.

Nochmal:
Es gibt zweierlei:
1. Schauungen: Das seherische Erlebnis selbst, bestehend aus Wahrnehmungen in Traum oder Wachvision.
2. Prophezeiungen/Prophetie: Eine bloße Aussage über die Zukunft, die sich aus allen möglichen Quellen speisen kann. Diese Quellen können Schauungen sein. Meist sind es aber religiös oder anderweitig motivierte Vorstellungen, die sich Menschen halt so machen.

Du unterstellst aber pauschal: Prophetie = Schauung. Die Anwendung des Gaukeleiparagraphen ist bei Prophezeiungen gar nicht angebracht. Sie entspringt einer nicht sachgerechten Gleichsetzung zweier grundverschiedener Konzepte. Mithin verbirgt sich dahinter ein irrational-glaubensmäßiger Zirkelschluß:
1. Prophezeiungen seien originäre, präkognitive Schauungen (⇐ vorschnelle, allzu vereinfachende Gleichsetzung)
2. Seher müssen sich wegen Gefahr der Ächtung ("Gaukeleiparagraph") bedeckt halten. (⇐ Auch das ist eine pauschale, wohl tatsächlich nur in Einzelfällen zutreffende Unterstellung.)
3. Weil Prophezeiungen gleich echten Schauungen seien, haben sich die Seher darin bedeckt gehalten, was ein Beleg für die Echtheit der Prophezeiung als Schauung wäre.

Und hierin liegt eben der selbstreferentielle Zirkelschluß, in dem die unbewiesene Grundannahme sich selbst "beweist". So kommst Du zu der irrsinnigen Ansicht, daß gerade das Fehlen valider Schauungsanzeichen ein Beweis für die Echtheit als Schauung wäre. :schief:

Nur weil jemand eine Fälschung in die Welt setzt irgendwann mal, heißt das nicht, dass er nicht selbst schauen kann. Anzunehmen das ein Fälscher keine Gesichte haben kann, ist somit völliger Bullshit.

Du willst glauben, daß der Fälscher ein Seher war, weswegen Du in seinem Geschreibsel auch lauter Schauungen siehst. ⇒ Ein selbstreferentieller Zirkelschluß.

Beweisen kannst Du es nicht. Für die Echtheit der Schauungen ist ein Nachweis der Sehergabe (bzw. grundsätzlich der Existenz des Sehers) allerdings Voraussetzung, da Prophezeiungen wie Schauungen das Vorliegen echter Präkognition von sich behaupten. Die bloße Behauptung an sich ist allerdings nicht hinreichend.

Bei Prophezeiungen haben wir das regelmäßige Problem, daß sie gar keine Traum-/Bildbeschreibungen enthalten, sondern bloße abstrakte Behauptungen, was passieren soll. Diese sind entweder stark symbolisch und daher weitreichenden Interpretationen zugänglich oder so allgemein gehalten, daß vielfältige Bezüge möglich sind. Den Text daher selbst/subjektiv auf irgendetwas interpretieren zu können, ist als Beleg nicht ausreichend, weil darin das subjektive Bild des Interpreten überwiegt.
Eine Grundvoraussetzung für valide Schauungen ist folglich eine möglichst nicht wertende, so wenig wie möglich interpretierende Darstellung der Wahrnehmungen in der Schau. Aussagen, was passieren soll, sind bereits Verfälschungen. Prophezeiungen erfüllen diese Voraussetzung in der Regel aber nicht.
Ein weiterer Punkt ist das regelmäßige Plagiieren in Prophezeiungen, die somit insgesamt einem einheitlichen Überlieferungsstrom zuzurechnen sind. Deckungen zwischen Prophezeiungen sind kein Beleg für Echtheit, sondern für Beeinflussung. Es anders zu bewerten, würde der oben genannten leichtfertigen Gleichsetzung Prophetie = Schauung entsprechen.

Bei unabhängig voneinander, wissenschaftlich dokumentierten Schauungen ist eine Deckung hingegen eine Stütze der Echtheitsannahme, weil nachweisbar und unabhängig voneinander ähnliche Dinge gesehen wurden. Der Ausschluß gegenseitiger Beeinflussung ist daher Grundbedingung der Schauungsforschung.

⇒ Darin zeigt sich, daß es sich bei Schauungen und Prophezeiungen um zwei grundverschiedene Sachverhalte handelt, die mit eigenen Instrumenten analysiert werden müssen.

Es ist nicht ausgeschlossen, daß in Prophezeiungen Schauungselemente vorhanden sind. Diese müssen aber mit scharfen Kriterien nach dem Ausschlußverfahren herausgefiltert werden:
1. Plagiate sind auszuschließen.
2. Religiöse Vorstellungen sind auszuschließen.
3. Allzu diffuse oder allgemein gehaltene Aussagen, die ich interpretieren (also selbst einen konkreten Inhalt verleihen) muß, um ihnen überhaupt etwas abgewinnen zu können, sind auszuschließen.

Sollte es, eng am Text bleibend (!), Stellen geben, die sich nicht auf andere Weise erklären lassen, könnte die Vermutung angebracht sein, daß es sich um eine Aussage handeln könnte, der aus irgendwelchen Gründen auch immer eine echte Schau zugrundeliegen könnte.

Weil der Prophezeiungstext an sich natürlich noch immer nicht die Anforderungen einer Schauungsdokumentation (die im wesentlichen die selben sind wie jene einer gerichtstauglichen Zeugenaussage) entspricht, sind solche vermuteten Schauungsfetzen noch immer geringer zu gewichten als die Inhalte echter Schauungen.

Das wäre wenigstens ein rationales Vorgehen, das halbwegs wissenschaftlichen Maßstäben gerecht wird (im Grunde entzieht das Phänomen sich dem wissenschaftlichen Zugang, menschengemachte Texte indes nicht), indem man analysierend alle Fremdeinflüsse ausschließt und um den Rest ein eine Klammer mit Fragezeichen setzt, die bedeutet: Möglicherweise echte Zukunftsschau.
So hätte man zumindest den Weg eingeschlagen, vom irrationalen, unkritischen Glaubenwollen wegzukommen.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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