Erklärung eines Schusters und Internet-Fundstellen (Freie Themen)

RichardS, Freitag, 09.10.2009, 23:53 (vor 5901 Tagen) @ Motti (10441 Aufrufe)

Hallo,

auf meinen Bergtouren hab ich schon dreimal erlebt, dass bei meinen
Freunden sich die Schuhsohlen ablösten, obwohl die Schuhe selbst noch gut
aussahen und noch gar nicht so alt waren.

Passend dazu gibt es in der aktuellen Vereinszeitschrift "Panorama, Okt.
2009" vom Deutschen Alpenverein einen Artikel:
Dort heißt es, dass das Problem der ablösenden Schuhsohlen den Herstellern
bekannt sei. Ursache ist der Dämpfungskeil zwischen Laufsohle und
Oberschuh. Dieser besteht aus Polyurethan (TPU). Damit er weich ist und
dämpft, ist er mit Weichmachern behandelt. Nach einiger Zeit verflüchtigen
sich diese. Die Zwischensohle wird hart und brüchig und löst sich von der
Laufsohle ab.

Bei meinen Freunden löste sich die Sohle nicht auf ein Mal komplett ab,
sondern etwa erst zur Hälfte von der Fußspitze her. Eine blöde Situation,
wenn man Mitten in den Bergen ist. Als Erste-Hilfe-Maßnahme wurde die
Sohle mit dem was zur Verfügung stand notdürftig festgemacht und der Schuh
mit Mullbinde oder Hansaplast umwickelt. Wenn man vorsichtig geht, hält das
bis ins Tal.
Mir selbst ist das nur bei 6 Jahre alten Sicherheitsschuhen passiert. Die
waren kaum benutzt und standen die ganze Zeit wie neu im Schrank. Bei
einem Umzug hab ich sie dann angezogen und nach ein paar Mal hinknieen
lösten sich beide Sohlen ab.

Im Artikel heißt es, dass die Hersteller an diesem TPU-Problem arbeiten.
Bei zwiegenähten Schuhen tritt das Problem nicht auf. Auch nicht bei
Schuhen, die das gummiähnliche EVA als Dämpfungskeil haben. Nur wie kann
man TPU von EVA unterscheiden?

Ich hab mich für die
BW-Kampfstiefel
2007 DMS
in der verbesserten Qualität entschieden. Laut Angaben soll
die Sohle dort direkt aufgespritzt sein und besser halten. Ob dem so ist,
kann ich nicht sagen. Dazu hab ich sie noch nicht lange genug.

Gruß
Motti

Moin,

ich holte gestern meine Bergschuhe mit neuer Sohle und neuem Absatz vom Schuster ab. Bei der Gelegenheit sprach ich ihn ganz vorsichtig auf das hier diskutierte Thema der sich schnell ablösenden Sohlen bei neueren Schuhen an, ob er bestätigen könne, was ich von Bekannten gehört hätte. Der Schuster - ich hoffe, er führt den Laden noch ein paar Jahre, bevor er in Rente geht - antwortete mir unverblümt: Die Sohlen vieler Schuhe, die heute hergestellt werden, seien "Mist". Die Ursache des Ablösens bzw. Abbröckelns sah er im Material der Sohlen, insofern diese aus Latex und nicht aus Gummi bestünden.
Er erzählte mir von einer Kundin, die ihre im Herbst gekauften Schuhe im Frühjahr hervorgeholt hätte, um sie erstmals für eine Wanderung zu benutzen, und die dann feststellen musste, dass sich von ihren neuen, noch nicht oder kaum genutzten Schuhen die Sohle löste. Das könne nach Meinung des Schusters gerade dann passieren, wenn solche Schuhe länger nicht benutzt würden.
Zu meinen Schuhen - zwiegenäht, Rindsleder - meinte er übrigens, dass die länger halten würden als er und ich leben würden.
Ob "zwiegenähte" Schuhe heute maschinell überhaupt herstellbar seien, konnte er nicht sagen. Dass sie besser als geklebte seien, wurde in seinem Reden ganz deutlich.

Ich googelte vorhin, um mich über die Unterschiede zwischen Latex und Gummi zu informieren, die der Schuster als Ursache der unterschiedlichen Sohlenqualität nannte. Informativ fand ich einzig eine Unterseite bei ebay:

Quelle: http://pages.ebay.de/buy/guides/latex-buying-guide/

Dort heißt es unter dem Punkt "Herstellung" u.a.:

"Durch Vulkanisation wird aus Latex Gummi. Unter diesem Verfahren versteht man das Erhitzen des Kautschuks mit Beimischung von Schwefel. Je mehr Schwefel zugesetzt wird, desto härter wird der Gummi, je weniger Schwefel zugeführt wird, desto weicher ist der Gummi. Ein interessantes Anschauungsbeispiel ist die so genannte „reine“ Latexsohle. Je höher der Anteil an Kautschuk, desto grauer fällt das Produkt aus. Sohlen aus 100 % Latex würden allerdings zerbröseln, deshalb werden sie mit Hilfe der Vulkanisation stabilisiert."

Und unter dem Punkt "Verwendung" ist zu lesen:

"Eine besondere Bedeutung haben Sohlen auf Naturkautschuk-Basis und Gummi für Spezialschuhe zum Sportklettern. Sie müssen extrem flexibel sein und bestmögliche Haftung am Fels bieten. Allerdings ist hier Vorsicht geboten. Je höher der Anteil an Latex, desto schneller verlieren die Sohlen bei Nässe oder hoher Feuchtigkeit die Haftung."

Meiner Meinung nach wird hier sehr deutlich, dass die herkömmliche, qualitativ bessere Besohlung einfach arbeitsaufwändiger und kostenträchtiger ist - weshalb die heutigen Produzenten eben gerne darauf verzichten (wenn der Kunde mitmacht und das scheint er ja, ohne Bescheid zu wissen, was abläuft, zu tun). Das in einem Fadenbeitrag zitierte Gerede aus der Schuhindustrie, man wisse um die Probleme und arbeite an der Lösung, ist nichts anderes als billiges Gerede.

Ein schönes Beispiel dafür ist folgender Internetfund, in dem es um die Fage geht, ob zwiegenähte Modelle haltbarer als geklebte Modelle seien. Dort schreibt ein "outdoor-magazin" entlarvend wie beschwichtigend:

"Moderne Schuhe werden aufgrund der geringeren Herstellungskosten fast nur noch geklebt. Die Fertigungsmethoden sind mittlerweile extrem ausgereift, so dass es kaum noch Probleme gibt mit sich lösenden Klebestellen. Aufpassen sollte man bei starker Hitze (im Auto, am Feuer etc.), durch die der Kleber flüssig wird und an Haltekraft verliert. Geklebte Schuhe sollte man nur mit Wachs und nicht mit Fetten oder Ölen pflegen, da das Leder sonst zu weich wird und die Klebestellen nicht mehr halten. Löst sich doch einmal die Sohle oder der Gummischutzrand, so ist der Makel genauso zu reparieren wie eine aufgehende Naht bei zwiegenähten Tretern. Die Erfahrung zeigt, dass man auch an modernen Trekkingschuhen lange Zeit seine Freude hat – die richtige Pflege vorausgesetzt."

Quelle: http://www.outdoor-magazin.com/service/leserfragen/schuhe/sind-zwiegenaehte-schuhe-haltbarer-als-geklebte-modelle.84236.3.htm

Gruß
Richard


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