Hallo!
Ich will anhand dieser Liste voller Beispiele hauptsächlich verdeutlichen, daß Nordeuropäer sich nicht deshalb Weltuntergangsphantasien hingeben, weil sie zusammen mit einer nahöstlichen Religion die Erwartung eines nahenden Weltunterganges übernommen hätten.
Der Unterschied zwischen den von Dir gelisteten bzw. europäischen "Weltuntergängen" und dem in den semitischen Religionen vorkommenden Ende der Welt ist fundamental und darf auf keinen Fall nicht wahrgenommen werden.
All diese von Europäern gefürchteten Katastrophen sind nicht final, sondern allenfalls Durchgänge und Cäsuren, nach denen die Welt weiterläuft.
Die semitische Auffassung ist dagegen (mit Spenglers Vokabular) "höhlenhaft", das heißt abgeschlossen und in sich geschlossen. Der Weltuntergang ist darin die Rückabwicklung der Schöpfung. Danach geht es nicht mehr weiter. Es ist ein Zustand erreicht, der qualitativ dem Nichts vor der Schöpfung entspricht. Es gibt keine Zeit und keine Stofflichkeit mehr.
Ein solcher Weltuntergang nach dem nahöstlichen Muster ist dem europäischen Menschen nicht im geringsten eingängig. Wir bekommen das empfindungsmäßig einfach nicht auf die Reihe, weil die Welt nach unserem faustischen Empfinden unendlich ist. Daher ist die Endzeitprophetie in Europa eben dahingehend in Abwandlung der nahöstlichen Urauffassung umgebogen worden, daß es eine "Gottesstrafe" gibt, auf die ein "goldenes Zeitalter" folgt, in dem die Welt erneuert weiterexistiert. Das semitische Weltende kommt hier gar nicht mehr vor. Es ist eben eine "Weltenwende".
Das zieht sich durch alle Bereiche. Selbst die moderne Physik postuliert entweder eine unendliche Ausdehnung des Universums (hier im Zeitraffer bis sich selbst das letzte Quant in Nichts auflöst) oder eine Kontraktion, die in einen erneuten Urknall, also eine Neuschöpfung mündet. Das entspricht in den Grundzügen der germanischen Urauffassung, die in der Völuspá reflektiert wird: "Der Seherin zufolge wird sich jedoch eine neue Welt aus den Wellen erheben, auf der Baldr und sein Töter, Höðr, herrschen werden. Ein neues Goldenes Zeitalter für Götter und Menschen beginnt." Das sind "wir". Von der jüdisch-christlich-moslemischen Höhlenwelt ist dies grundsätzlich zu unterscheiden.
Der Kalender der Maya läßt sich gewiß nicht der nahöstlichen Kultur in die Schuhe schieben.
Hier ist zwischen dem, was einerseits die Maya selbst dazu überlieferten und andererseits heutige Europäer hineininterpretierten, zu unterscheiden. Die Originalaussage zum angeblichen "Weltuntergang":
https://schauungen.de/forum/index.php?mode=entry&id=4129
Das Geschilderte ist offenbar mythologisch. Eine konkrete Voraussage läßt sich allein schon mangels eines lesbaren Textes nicht ableiten.
Darüber hinaus ist der Mayakalender nur eine Anordnung von Zahnrädern, die zu einem bestimmten Zeitpunkt mathematisch wieder auf Null stehen. Allein die moderne Interpretation hat da etwas hineingeheimnißt.
Das Fazit daraus ist, daß auch die christliche Naherwartung niemals eine Konsequenz aus dem biblischen Glauben war, sondern erst der nahende Untergang aus einem europäischem (und wahrscheinlich, Stichwort Zombie-Apokalypse, bei den Angelsachsen noch ausgeprägterem) Bedürfnis heraus erwartet wird und deshalb unter anderem eine typisch angelsächsisch-europäische Interpretation der Bibel als Begründung herhalten kann.
Dies darf eben niemals übersehen werden: Die Deutungen der Thora-, Koran-, Bibel- und Apokryphentexte (und was es dergleichen Schriften noch mehr gibt) für unsere Kultur sind ein systematisches Mißverstehen dessen, was die semitischen Autoren eigentlich damit ausdrücken wollten, weil ein fundamentales Nichtverstehenkönnen der inneren, seelischen Verfassung der (jeweils) anderen Kultur vorliegt. Die christliche Naherwartung war natürlich auch im frühen nahöstlichen Christentum bzw. dessen Version des Bibelglaubens vorhanden. Sie wurde von uns instrumentalisiert und unbewußt umgedeutet, um unsere Version des "Weltenendes", das eigentlich eine "Weltenwende" ist, im Sinne einer externalisierten Selbstbestätigung darin wiederzufinden.
Sieht man Johannes von Patmos als Griechen an, dann steht schon der der europäischen Kultur näher als der nahöstlichen.
Dafür gibt es allerdings keinen Beweis. Heute geht man offenbar aufgrund der Sprache und Gedankenwelt von einer "Herkunft aus dem palästinischen Judenchristentum" aus (vgl. Wikipedia). Dann wäre er ein Semit gewesen, ein zum Christentum konvertierter Jude, der das nahöstliche, höhlenhafte Schöpfungsbild zugrundelegt.
Die Erwartung des nahenden Weltuntergangs den Arabern in die Schuhe schieben zu wollen, ist also nichts anderes als ein blinder Fleck der eigenen Kultur gegenüber.
Ich würde eher zu einer diffizileren Betrachtung, weg von einem Entweder-Oder (d. h. "nur die einen oder die anderen können der Gedanken des Weltuntergangs gefaßt haben") und hin zu einer art interkultureller Wahrnehmungspsychologie raten, die in Betracht zieht, daß die Schriften letztlich nicht mehr als die Projektionsfläche des eigenen Seelentums sind, das in jeder Kultur anders ist. Sie liefern uns also nichts Neues von außen, sondern dienen als Mittel der Erkenntnis dessen, was eigentlich uns gemäß ist. Der Irrtum des gegenseitigen Verstehens innerlich inkompatibler Kulturen ist der eigentliche blinde Fleck.
Gruß
Taurec
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