Hallo!
Dummerweise wollte dann vielleicht irgendwer das Original sehen, und das hat dann ein Schriftenkundiger hingebastelt und geliefert....Priester waren immer mit Handschriften vertraut, weil die Matrikelbücher vor 1871 nur in den Pfarreien geführt wurden.
Geistliche haben auch viel Geduld und Zeit.
Es war gar nicht nötig, daß ein Priester Rills Handschrift imitierte, wenn bereits der erste Brief nicht aus Rills Feder stammte. Verfolgen wir diesen Gedanken als Arbeitshypothese mal weiter.
Was wissen wir über die Entdeckung bzw. die Bekanntwerdung des ersten Feldpostbriefes?
Aus Benders Expertise (S. 11):
"Auf Bitten des Hausarztes Dr. Arnold (Schwabhausen) wurde der erste Brief, der ihm schon vor dem zweiten Weltkrieg bekannt war, 1941 herausgesucht und ihm übergeben. Pater Renner (seinerzeit Sanitätssoldat in einem von Dr. Arnold geleiteten Militärhospital) bekam 1941 den ersten Brief einige Zeit in die Hand und ließ eine Abschrift von Bruder Valentino Reitberger, inzwischen verstorben, in Schleyern anfertigen, wohin die Klostergemeinde nach Schließung des Klosters St. Ottilien ausgewichen war."
Zugleich steht im ersten Brief:
"Die Zeit beginnt zirka 32 und dauert neun Jahre, alles geht auf eines Mannes Diktat, sagt er, dann kommt die Zeit 38; werden überfallen und zum Kriege gearbeitet. Der Krieg dauert nicht ganz drei Jahre und endet schlecht für diesen Mann und seinen Anhang."
In der im ersten Brief proklamierten Chronologie beginnt der Zweite Weltkrieg 1938 und dauert nicht ganz drei Jahre, was ebenfalls auf das Jahr 1941 deutet.
Über Rills Hausarzt Dr. Arnold wird 1941 eine neue Prophezeiung bekannt, die ausgerechnet auf die Gegenwart 1941 verweist, an sich aber eine (wie wir nachbetrachtet wissen) falsche Angabe für die Dauer des Zweiten Weltkrieges ist? Ach ja, wirlich?!? Ich halte das nicht für einen Zufall. Vielmehr entspricht es der typischen Masche, mit der neu in Umlauf gebrachte Fälschungen sich just auf die jeweils akutelle Gegenwart beziehen und dies in der Regel mit Naherwartung kombinieren.
Wie geht der erste Brief an dieser Stelle weiter?
"Das Volk steht auf mit den Soldaten. Denn es kommt die ganze Lumperei auf und es geht wild zu in den Städten. Er sagte, man soll unter dieser Zeit kein Amt oder dergleichen annehmen, alles kommt an den Galgen oder wird unter der Haustür aufgehängt, wenn nicht an Fensterblöcke hingenagelt; denn die Wut unter den Leuten sei entsetzlich, denn da kommen Sachen auf, unmenschlich."
Diese Ereignisse, die wir immer auf unsere Gegenart bezogen haben, sagen tatsächlich ab 1941 den Untergang des Nazireiches durch einen Volksaufstand aus Zivilisten und Soldaten voraus. Das Hitlerregime wird am Galgen augeknöpft dem schließt sich nahtlos das aus dem endzeitprophetischen Kanon bekannte Szenario an: Der Zweite Weltkrieg ist beendet und:
- "ein neuer Mann tritt zutage, der das neue Deutschland leitet und aufrichtet."
= Das Motiv des "großen Monarchen", nicht etwa, wie später hingebogen, Adenauer.
- "Am Schluß kommt noch Rußland und fällt über Deutschland her"
= Das Motiv des Überfalls durch die antichristlichen Horden Gogs und Magogs aus dem Inneren Asiens in Verkleidung Rußlands.
- "wird aber zurückgeschlagen, weil die Natur eingreift"
= Die diffuse Gottesstrafe durch Naturkatastrophen. Wörtlich "dreitägige Finsternis" zu schreiben, war dem Fälscher dann doch zu doof und offensichtlich.
- "Dann sagt er, daß der regierende Papst dabei sei beim Friedensschluß, muß aber zuvor in Italien fliehen, da er als Verräter hingestellt wird"
= Die sattsam bekannte Papstflucht.
- "Und im Jahre 49 kommt erst der Aufstieg."
= Das gänzlich der endzeitprophetischen Naherwartung entsprechende Ende der "Teufelszeit".
Jedem sollte eigentlich auffallen: Das Kerngeschehen des ersten Feldpostbriefes wird in die Jahre 1941 bis 1949 gelegt und setzt genau an dem Punkte an, als der erste Feldpostbrief über Arnold an Frumentius Renner weitergereicht wurde.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit können wir also davon ausgehen, daß der Brief erst 1941 in der uns bekannten Fassung geschrieben wurde und eine (letztlich irrige) Projektion für die nächsten acht Jahre bot.
Daß Rill selbst der Fälscher beider Briefe war, ist allerdings nicht wahrscheinlich, weil er (laut Aussagen seiner Kinder gegenüber Bender) bereits während des Ersten Weltkrieges und bis 1936 (als er deswegen mit der Polizei Probleme bekam) Inhalte des ersten Feldpostbriefes erzählte. Über Hitler sagte Rill ab 1933: "Jetzt kommt der strenge Herrscher, der bringt den Krieg und der Krieg ist wieder verloren." Es ist nicht anzunehmen, daß die ganze Familie Rill, also auch die Kinder, Teil eines großen Theaters war und geschlossen ein Märchen erzählte. Der Verlauf des Ersten Weltkrieges, auf jeden Fall aber der weitere Verlauf bis Hitlers Machtergreifung und sein Ende müssen in einer angenommenen Urfassung des ersten Briefes also schon (wahrscheinlich in gröberen Zügen als uns vorliegend) vorhanden gewesen sein.
Gegenüber Bender sagte Rills Sohn auf die wiederholte Frage, ob er wüßte, daß Briefe über die Prophezeiungen existierten, aus: "1918 hat der Vater gesagt: 'Ich hab' das heim geschrieben, der Brief [Taurec: Singular, also nur ein Brief!!!] muß heute noch da sein.' Und die Mutter hat darauf gesagt: 'Geh' hinauf und such' ihn [Taurec: Wieder Singular!] im Kasten drin."
Das läßt darauf schließen, daß "ein" Feldpostbrief 1918 bereits existierte und die Begegnung mit dem "prophetischen Franzosen" einen wahren Kern hat.
Randomizer schrieb:
Keiner der Personen in der Reihe, weder Rill noch sein Hausarzt und erst recht nicht Renner, dünken mir irgendwie verdächtig, mit einem solch enormen Aufwand, eine dermaßen gekonnte Fälschung produziert zu haben. Eine Veröffentlichung war doch wohl zunächst gar nicht vorgesehen, Renners Aufsätze erschienen später ganz unspektakulär und kleinauflagig, die "Leaks" bei Varena und Adlmaier waren auch recht unscheinbar. Falls die Briefe also nicht authentisch wären: wozu die ganze Mühe, eine solch perfekte Fälschung zu lancieren?
Das trifft auf jeden Fall auf Rill zu, der als einfacher, im Hintergrund bleibender Handwerker ohne bekannte literarische oder intellektuelle Ambitionen, der zudem offenbar tatsächlich Kontakt zu einem prophetischen Franzosen hatte, kein erkennbares Motiv hatte, auf dieser Basis eine Fälschung zu lancieren. Vom Ergebnis her betrachtet hatte er keinen Nutzen davon, so daß ich ihn als Täter ausschließe.
Die beiden im ersten Feldpostbrief zusammenfließenden Linien sind:
- Anscheinend authentische Aussagen über die Geschichte von 1914 bis zur Hitlerzeit, die sich in Rills Aussagen im privaten oder dörflichen Umfelde widerspiegeln.
- Eine irrige, in die Gegenwart der Bekanntwerdung des Briefes 1941 fallende Datierung für das Ende des Zweiten Weltkrieges, die gewaltsame Aufknüpfung des vermeintlichen deutschen Terroregimes und anschließendes endzeitprophetisches Geschehen. Daß hier ein ausgesprochen regimekritischer Duktus angeschlagen wird, geht auch aus der Formulierung "dann kommt die Zeit 38; [Länder] werden überfallen und zum Kriege gearbeitet" hervor. Wer einigermaßen firm und von unbeeinflußt ist, sollte wissen, daß mitnichten ein deutscher Überfall auf fremde Länder Ursache und Auslöser der Zweiten Weltkrieges war, sondern ein komplexes Geschehen zwischen Großmächten, das letztlich in eine Kriegserklärung an das Deutsche Reich mündete. Hier finden wir aber bereits die einseitige und verengte Ansicht, die später zur Siegergeschichtsschreibung werden sollte.
Wer hatte (propagandistischen) Nutzen aus dieser zweiten Linie? Ich zitiere abermals Benders Expertise: "Die 82jährige Witwe Dr. Arnolds gab an, daß die beiden Briefe auf Wunsch ihres 1948 verstorbenen Mannes dem Münchner Internisten Prof. Lepsche (Maria-Theresia-Klinik) übergeben wurden."
Über diesen Professor Max Lebsche finden wird bei Wikipedia: "Max Lebsche [...] war ein deutscher Chirurg und Gegner des Nationalsozialismus." "1957 wurde er von Kardinal-Großmeister Nicola Kardinal Canali zum Ritter des Päpstlichen Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem ernannt und am 30. April 1957 in München durch Lorenz Jaeger, Großprior der deutschen Statthalterei, investiert. Er war zudem Malteserritter."
Er war also ein Gegner des Deutschen Reiches in seiner damaligen Gestalt und gehörte außerdem einem organisierten und engagierten christlichen Milieu an.
Ich meine, wenn wir nach einer Person bzw. einer Clicque suchen, die ein durch Weltbild und politische Ausrichtung begründetes Interesse hatte, eine solche Fälschung zu lancieren, finden wir es im antinazistischen-prokatholischen Umfelde Dr. Arnolds und Prof. Lebsches. Nicht umsonst überließ Arnold die Briefe wohl seinem Freunde Lebsche.
Die Fälschung bzw. als Fälschung zu wertende Umformulierung und Erweiterung des ersten Feldpostbriefes müßte stattgefunden haben zwischen den von Bender dokumentierten Ereignissen:
"Auf Bitten des Hausarztes Dr. Arnold (Schwabhausen) wurde der erste Brief, der ihm schon vor dem zweiten Weltkrieg bekannt war, 1941 herausgesucht und ihm übergeben."
Und:
"Pater Renner (seinerzeit Sanitätssoldat in einem von Dr. Arnold geleiteten Militärhospital) bekam 1941 den ersten Brief einige Zeit in die Hand und ließ eine Abschrift von Bruder Valentino Reitberger, inzwischen verstorben, in Schleyern anfertigen, wohin die Klostergemeinde nach Schließung des Klosters St. Ottilien ausgewichen war."
Bereits Pater Frumentius Renner dürfte von Arnold nicht das Original des ersten Feldpostbriefes aus Rills Hand bekommen haben, sondern eine zu Fälschungszwecken redigierte Abschrift, die von einer Person des Arnold-Lebsche-Kreises vorgenommen wurde. Das ist die Fassung des ersten Briefes, die wir bis heute kennen. Das Original gab Arnold an Rill zurück, der es wieder in seiner Mottenkiste verschwinden ließ. Hätte die Verfälschung zu einem späteren Zeitpunkte stattgefunden, wäre das unbeeinflußte Original Rills bereits zu vielen bekannt gewesen und es wäre aufgefallen, hätte sich der Inhalt des ersten Briefes plötzlich geändert.
Ziel war es womöglich, Frumentius, von dem man wußte, daß er sich für solche Themen interessierte, die Fälschung zum Zwecke einer Veröffentlichung oder zumindest Weitergabe innerhalb der "Szene" zuzuschustern. Auf ähnliche Weise hat man später ja auch Bekh mit Erna Stieglitz über den Tisch gezogen. Frumentius war dabei allzu leichtgläubig, was wohl in seiner Persönlichkeit begründet ist. Laut BBouvier, der ihn noch persönlich kennenlernte, strahlte er von innen heraus wie ein Heiliger. Es ist anzunehmen, daß Lüge und Betrug in seinem Wortschatze gar nicht vorkamen. Weder war er selbst dazu fähig, noch konnte er es (gerade deswegen) seinen Glaubensgenossen als Motiv unterstellen. Das machte ihn für das unkritische Annehmen und Verbreiten einer von ihm unerkannten Fälschung geradezu anfällig. Frappant ist in diesem Sinne Randomizers Feststellung:
Alle schrifltiche und mündliche Überlieferung Rills wurde offenbar ausschließlich durch seinen Hausarzt Dr. Arnold weitergegeben, nach meinem Verständnis hatte wahrscheinlich selbst Frumentius Renner keinen persönlichen Kontakt mit Rill.
Demnach hatte Frumentius keine Chance, durch persönlichen Kontakt mit Rill der Fälschung auf die Schliche zu kommen. Dieser Umstand war für die Zementierung der Feldpostbriefe im modernen europäischen Prophezeiungskanon fatal.
Der zweite Feldpostbrief dürfte eine 1946 vorgenommene Erweiterung sein, die man angesichts der jüngeren Entwicklungen, also das tatsächliche Ende des Zweiten Weltkrieges im Vergleich zum im ersten Brief vorgestellten, vornahm. Auch hier war Dr. Arnold bzw. der Arnold-Lebsche-Kreis involviert: "1946 übergab Rill Dr. Arnold den zweiten Brief. Von beiden Briefen ließ P. Frumentius 1946 Fotografien durch P. Josef Alto Ziegenaus, jetzt Caracas, anfertigen. Auf Anfrage bestätigte P. Ziegenaus diesen Sachverhalt. Die betreffenden Platten wurden 1975 anläßlich eines Umzugs in Südamerika vernichtet."
Benders Bestreben, die Authentizität des zweiten Briefes zu untermauern, indem der dessen Verbreitungsweg inklusive Fotoplatten nachvollzieht, geht allerdings in die Irre, weil man auch hier annehmen muß, daß Frumentius bereits einen gefälschten zweiten Brief zugereicht bekam, für den es diesmal jedoch kein Original in Rills Mottenkiste gab.
Im zweiten Brief ist z. B. auffällig der "Stuhl 12" enthalten, eine eigentlich durchsichtige Geheimniskrämerei im Stile Irlmaiers "eisernen Turms", die nebulös wirkt, den Zeitgenossen aber gleich das Rätsel als den Zeitgenossen "Pius XII." lösen läßt. Der gutgläubige Laie staunt angesichts der Präzision der Prophezeiung.
Weiter mußten natürlich der Kriegsausgang 1945 und der beginnende Ost-West-Konflikt enthalten sein. Außerdem der Versuch der Deutschen, sich von den Taten der Nazis ("teuflisches Verbrechen") zu emanzipieren (Entnazifizierung, Persilschein usw.). Von diesen Einzelheiten abgesehen, enthält der zweite Brief ab dieser Stelle wieder nur klassischen Endzeitkanon mit allgemeinen, religiös angehauchten Aussagen, wie verkommen die Gegenwart sei.
Für die Zukunft ab 1945 wird konstruiert: "Die Besatzungen lösen sich voneinander und ziehen ab mit der Beute des Geraubten, was ihnen auch sehr viel Unheil bringt, und das Unheil des dritten Weltgeschehens bricht herein."
Das wurde aber nur von uns späteren (ebenfalls leichtgläubigen) Interpreten auf die Wiedervereinigung 1990 bezogen. Tatsächlich sollte das Ereignis sich direkt an den Zweiten Weltkrieg anschließen, da 1947 und 48 bereits das Dritte Weltgeschehen stattfinden sollte. Nach wie vor projektierte der zweite Feldpostbrief 1949 als Beginn der "Friedenszeit".
Der zweite Feldpostbrief erschöpft sich gänzlich in dem direkt auf den Zweiten Weltkrieg folgenden Dritten Weltgeschehen, das ebenfalls nur rudimentär und unter Rückgriff auf klassische Prophezeiungsmotive geschildert wird.
Über den tatsächlichen Verlauf der Geschichte nach Bekanntwerdung und Veröffentlichung der Feldpostbriefe ist rein gar nichts enhalten. Sie haben uns nichts zu sagen.
Gruß
Taurec
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„Es lebe unser heiliges Deutschland!“
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„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“