Huomenta!
Es ist der 32. Februar 2023 und ich schmökere gerade in den Prophezeiungen des Nosferatu, während ich vor dem Fernseher die Ziegen melke.
Es ist schon fulminant, wie geschmeidig das Horrorskop und die Gegenwart ineinander verliebt sind – fast als hätten sie voneinander abgeschrieben.
Mein Mobiltelefon glimmt im Kaminofen in leuchtenden Farben, der Teekessel voller Glühwein gibt schrillen Alarm, und es erinnert mich an dieses eine Lied – aber ich komme nicht auf den Titel:
„Pah, pah, pah, pah – taaaaaaaa, ihhhhhhh, huuuuuuuu – dingeldeng peng – pamm, pamm- tingelditeng – krawusch!“ – ihr wißt schon…
Es war irgendwann in den 90ern, wie eigentlich alles Gute zuletzt.
Menschen hatten noch Nachnamen, und Rentner trugen Beige. Die Polizei war noch seriös, doch stets lustig im Stil der 70er gekleidet – wie ebenfalls die Rentner.
Handwerker trugen Latzhosen in blau und setzten ebenso ihr Tagwerk fort, als man noch staunte, was der liebenswerte Nachbar, die Sau, sich mal wieder gegönnt hat.
Eine Gartenhütte hier, eine neue Einfahrt dort – und dies alles bei nur drei Urlauben pro Jahr.
Es gab immer einen der was konnte, und man half sich gegenseitig. War der eine zu besoffen zu fahren, fuhr halt derjenige, der erst einen halben Kasten intus hatte.
Konnte einer danach nicht mehr seiner Freundin genügen, fanden sich an einem Abend genügend andere.
Man war quasi eine eingeschworene Gemeinschaft, und die Gesellschaft hatte noch Klassen.
Auf dem Gymnasium waren die spätentwickelten Streber die von den frühpubertierenden „Kernasis“ von der Hauptschule immer verkloppt wurden.
Dazwischen befand sich die edukative Mittelschicht, die Schüler der Realschulen: Zu dumm, sich die Schuhe zuzubinden; aber zu schlau fürs Studium.
Wer etwas backen konnte, lötete am Dach ´rum; wer gut rechnen konnte, zählte die Sparfächer in den Gaststätten aus, und wer besonders besonders war, lief im Selbstgespräch vertieft, mit Ohrhörern durchs Dorf, und erntete dafürstehende Ovationen.
Retrospektiv war damals auch schon alles doof. Der gemeine Verstand erlitt allmählich strukturelles Versagen, der Motor der Wirtschaft stand in Flammen und der manische Wahn des „höher, schneller, weiter“ ersetzte nun vollends jede seelische Konsolidierung durch einen etwaigen Neokonservatismus.
Nur wie hätte der schon aussehen können? Die Schüler wieder fester prügeln? Oder sollte die katholische Prüderie der 50er-Jahre wieder ihre Urständ feiern sollen?
Das deutsche Wesen, vernarbt und eingesperrt in ein Korsett, war doch nur noch Günstling von Anti-Komintern-Politik und guten Energiepreisen – dank US-amerikanischer Globalpiraterie.
Aber eigentlich waren es doch goldene Zeiten. Die neuen Bundesländer wurden so zahlreich und bald multikulturalisiert, daß sie Doppelnamen tragen mußten, wie einst die lesbischen Emanzen aus der Epoche der Prilblumen.
Als auch die Fußballnationalmannschaft mit einer kongenialen Doppelspitze aus Kaiser und Sparwasser eine Widergeburt erfuhr, wurde sie erwiesenermaßen auf Jahrzehnte unschlagbar.
Die Kongenialität aus westlicher Dekadenz nach Vorbild der berühmten US-Piraterie, welche unsere lieben Väter und Großväter an den Rheinwiesen-Bildungszentren studieren durften, mitsamt des disziplinierten Gemeinwesens der demokratischsten aller deutschen Republiken, verhalfen dem neuen Deutschland zu ungeahnten Höhenflügen.
Endlich gelang es der Wirtschaftslokomotive Europas, den „Chattanoga Choo Choo“ so voll mit Liebe und Gütern der Kultur an seine geliebten Befreier vollzupacken, daß selbst Neonazis wie Kanacken sich gegenseitig in die Hände spuckten, um das Bruttosozialprodukt zu steigern.
In einem heroischen Siegeszug humanistischer Werte wurde das einige Vaterland schließlich zu liebevollem Humus hypnagoger Hysterie.
Zu lautem Gejaule und Gebumse entseelter Maschinenmusik hüpften und taumelten schließlich millionen Schwuchteln mit rosa Plüschgirlanden und Sam-Browne-Gürtel, wie ihn schon der Führer trug, über die Straßen nationaler Bedeutung.
In den Gebüschen, wo einst der Dung der Pferde paradierender Kürassiere seinen Abort fand, gedieh nun in Pfützen aus Erbrochenem und dem Ejakulat, der sich dort verlustierenden verqueren Neoeuropäer, ein neues Substrat humanoider Vervollkommnung.
Oh, Welt – nun frage nicht nach Pommern oder Schlesen, am besten wärste hier gewesen!
Jedem Tierchen sein Gelsenkirchen. Soll Potsdam doch verwesen.
Parodierend, Hand in Hand, schlendern nun Regierung, Justiz, Sturmabteilung und Medizinbetrieb mitsamt der Verbildungsindustrie die Alleen entlang und wählen die Planzungen neuer Bäume stets so, daß weder Automobile noch Petromobile vom Weg abkommen können, ohne umzukommen.
Anstatt wie einst bei einer Parade, wird man in Berlin wohl bald Paroden abhalten wollen. Ein mobiles Panoptikum skurriler Abnormitäten – fröhliche, heilige Zeremonialzüge der Perversion und der Selbstzerstörung.
Reizende soll man schließlich nicht aufhalten.
"a great blow for a dayjob!"
Ich will zu meinen Lebzeiten noch sehen, wie Frauen Röcke tragen – gern auch mit Stiefeln; und Männer wieder ihren Verstand am Hosenbund mittragen - ersatzweise nötigenfalls ein Schwert.
Ach, eigentlich wäre ich gerne noch mal gern in den 90’ern, hätte ein Schwert am Gürtel und würde meinen Verstand dabei verlieren, Damen in Röcke zu kleiden.
Essenz meines Lebens sind Röcke und Rollen.
Ich mag nur keine Rolle mehr spielen.
Will mal ich selbst sein.
Eigentlich negiere ich alles bis auf die romantische Liebe zwischen Frau und Mann, die sich so entsetzlich entzündet, daß beide in kaufnehmen, beim Akt der Liebe zu sterben – nachhaltig gesehen.
Ich trage nun zur Verhütung ein Mobiltelefon nah meiner Testikel, und links das Schwert. Außerdem glaube ich nicht, daß noch mal eine so dumm ist, auf mich reinzufallen.
Statistisch werden die Menschen ja immer gescheiter – so liest man.
Falls dem so ist, würde ich auch gern statistisch intelligenter.
Aus der wüsten Wüste der republikanischen Agonie
grüßt
der Fenrizwolf