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Antichrist und Entrückung (Freie Themen)

Taurec ⌂, München, Donnerstag, 29.06.2017, 17:52 (vor 2702 Tagen) @ dersoeflinger (4430 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Freitag, 01.09.2017, 08:51

Hallo!

Warum gegen den Antichristen so vehement Stellung bezogen wird, ist mir nicht ganz klar, weil er nicht in der Bibel erwähnt wird?

Ist doch klar: Weil er ein erfundener Bösewicht ist, den sich die Frühchristen als rein intellektuell-logische Folgerung in ihrem polaren Weltbild ausgedacht haben.
In der höhlenhaften Seelenverfassung der magischen Kultur, der das Christentum ursprünglich angehörte, ist die Geschichte ein eng begrenzter Ablauf von wenigen tausend Jahren ("zeitlich höhlenhaft") zwischen Schöpfung und Weltende. Für sie war die Welt ein kurz vor dem Finale stehender polarer Kampf zwischen göttlichen und widergöttlichen Kräften, der von Gott natürlich gewonnen werden würde. In diesem Bild war der Gegenmessias als vom Messias zu überwindender Gegensatz eine simple Notwendigkeit, die als Tatsache stillschweigend angenommen wurde. Endzeitliche Prophezeiungen inklusive dem Antichristen sind ein mythologischer Ausfluß der Kultur des Nahen Ostens, allerdings ohne echte seherische Grundlage.
Dort eine Realität zu vermuten, ist ebenso verquer wie die Suche nach dem historischen Camelot oder dem mythischen Thule im Nordmeer.

Unser Problem ist, daß das Abendland diese kulturfremden Elemente mit dem Christentum übernommen hat. Während sie für die nahöstlichen (semitischen) Frühchristen von tiefer symbolischer Bedeutung waren, sind sie für uns Europäer, die wir bis zum heutigen Tage im Herzen Germanen sind, leer und sinnlos. Gezwungen daran zu glauben, weil wir das Komplettpaket "Christentum" ohne Umtauschmöglichkeit erstanden haben, schleppen wir diesen Unsinn seit mehr als einem Jahrtausend mit uns herum und interpretieren ihn vor dem Hintergrund unseres faustisch-dynamischen Weltbildes systematisch falsch. Das blöde daran: Als bibelfixierter Christ kapiert man noch nicht mal, daß man nicht kapiert hat, was man glaubt, und projiziert munter uralte Endzeitgeschichten in die eigene politische Gegenwart.

Solange man das nicht erkannt hat, zählt man als Prophezeiungsgläubiger weltweit zu der Menschengruppe, die von der Zukunft mit Abstand am wenigsten (ich würde sagen, gar keine) Ahnung hat, dazu verdammt, bis in alle Ewigkeit an das bevorstehende Weltende zu glauben. :schief:

Matthäus und Lukas sprechen von der Entrückung. Klar wird gestellt, daß nur der Vater den Zeitpunkt der Entrückung kennt. Auch ist fraglich, ob bei Matthäus von einem nötigen Glaubensabfall die Rede ist, oder ob gemeint ist, das die Entrückung nur sehr überraschend und ohne Vorzeichen geschieht. Der hier vorgenommene Brückenschlag zur Homosexualität ist an den Haaren herbeigezogen.

Die "Entrückung" ist ebenso ein Motiv der magischen Kultur. Das Volk Gottes, als welches sich jede dieser magischen Religionen, sei es das Christentum, das Judentum, der Islam oder eine der vielen schon früh untergegangenen Strömungen in der Levante zur Zeitenwende, selbst sah, wird mit dem Messias in die Ewigkeit an die Seite Gottes entrückt, während die diesseitige Welt wieder eingerollt und eingepackt wird. Für das faustische Abendland, das mit unendlich sich aneinanderreihenden Äonen rechnet, ist ein solches Weltende und folglich auch die Entrückung, absolut sinnlos, weswegen alle damit verbundenen Spekulationen stets so überaus absurd anmuten.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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