Hallo Taurec,
volle Zustimmung meinerseits, daran wollte ich nicht rütteln.
Sicher gibt es hier noch vieles zu diskutieren. Wie gesagt glaube ich, dass Kultur ein sinnvoller Rahmen für das Zusammenleben eines Volkes ist, der identitätsstiftend ist, vor allem aber Verhaltensweisen zusammenfasst, die dem Volk das Überleben sichert oder zumindest in der Vergangenheit sicherten. Zu den meisten Kulturen entsteht auch Religion oder irgendeine transzendente Vorstellung sowie die Wertvorstellungen, welche mit den kulturellen Werten kommen. In diesem Kontext auch Moral.
Der Endzeitglauben ist in diesem Zusammenhang zu sehen und vermutlich ein Konstrukt, dass durch die Androhung von Strafe disziplinieren soll.
Die Kernaussage ist wohl:
Brecht ihr mit dem Normen und Werten des Zusammenlebens, dann wird in letzter Konsequenz die Kultur ihre Grundlage verlieren und dann wird die Welt, wie wir sie kennen zusammenbrechen.
Als Kontrapunkt dann, haltet ihr die Regeln, auf der unsere Kultur fußt, so werdet ihr belohnt.
Wie dem auch sei. Ich fürchte hier muss ich den komplexen und interessanten Ansatz zur Herkunft des Endzeitglaubens durch eine vollkommen unterkomplexe Theorie zu Irlmaier brechen.
Ich glaube im Fall Adlmaier/Irlmaier sind sehr viel profanere Motivationen im Spiel. Ich denke Adlmaier war ein gewiefter Geschäftsmann, der im Prophezeiungskanon eine willkommene Inspiration gefunden hat. Der bekannte, aber wohl auch einfältige und fantasielose Irlmaier, war wohl das perfekte Vehikel zum Vertrieb seiner Machwerke. Vielleicht auch Stichwortgeber, sofern man ihm die Stichworte in den Mund legte.
Ich glaube nicht, dass Irlamaier oder Adlmaier eine in irgendeiner Form religiöse Motivation hatten. Im Fall Adlmaier vielleicht der Mammon Geld. ;)
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Noch einmal kurz zur Endzeiterwartung. Jede Religion, die sich zu tief in einem Narrativ verfängt oder sich angegriffen fühlt, wird irgendwann eine übertriebene Endzeiterwartung entwickeln.
Eine sehr erfolgreiche Kultur läuft Gefahr, zu erstarren und in komplexer Bürokratie zu einem Verwaltungsakt zu erstarren. Gemeinhin nennen wir das Extrakt dann Zivilisation. Gemeint ist damit eigentlich der leblose Korpus, der von der Kultur übrig bleibt, wenn wir sie solange systematisiert haben, bis die Zugehörigkeit nicht mehr auf geteilter Abstammung, Ahnen und Werten beruht, sondern nur noch durch ein Formular besiegelt wird. Wir nennen es dann Staatszugehörigkeit. In Wahrheit ist es das Ende der natürlichen Entwicklung und der Beginn der Herrschaft der Bürokraten.
Eine Religion entwickelt irgendwann Ähnliches, um diese spirituell entkernte Religion und ihren Klerus am Leben zu erhalten, muss dann immer mal wieder die Endzeiterwartung herhalten. Manchmal auch eine neue Schöpfungsgeschichte (Die Bibel hat 2 davon, die Erste gefiel der Priesterschaft nicht so sehr und ließ im Übrigen Gott nicht allmächtig genug erscheinen).
Zivilreligionen haben wiederum Ähnliches, bei ihnen ist noch interessant, dass die Religion sich aus der Endzeiterwartung herleitet und nicht, wie bei kulturell begründeten Religionen anders herum, die Endzeiterwartung Ergebnis der Religion ist, wenn sie unter Druck gerät. Der Marxismus hatte die Verarmungstheorie (Der eigentliche Begriff ist ein Anderer, aber die kommunistischen Sprachregeln sind nicht mein Kerngebiet). Die heutige Zivilisation den Klimawandel, früher auch Waldsterben.
Seit neuesten kommen in der digitalen Welt die Bitcoiner hinzu.
Sehr interessant zu beobachten. Zunächst kommen ein paar "digital native hippster" in Berührung mit der österreichischen Schule und erkennen, das inflationäres Zentralbankgeld Vehikel der Herrschaft des Staates über die Bürger ist.
Soweit auch korrekt. Wer das Geld kontrolliert, der kontrolliert die Zivilisation und damit die Menschen in ihr.
Aus dieser Erkenntnis heraus kann man momentan beobachten, wie sich eine Art Kirche des Bitcoin bildet und je stärker die "Bitcoiner" angegriffen werden oder sich angegriffen fühlen, desto gewaltiger kommen die Endzeiterwartungen, wenn nicht JETZT sofort der Bitcoinstandard kommt.
Aus einer Erkenntnis wurde mangels hinreichender Einordnung in ein größeres Ganzes ein Narrativ, aus dem Narrativ wurde eine maximale Identifikation der Anhänger mit dem Narrativ und wenn das Narrativ unter Druck gerät, dann wird die Bestrafung bei nicht befolgen immer stärker.
Alle anderen Lösungswege zählen nicht mehr, es gibt nur noch den einen Weg, der Bitcoin und wenn nicht dieser, dann endet alles. Ein Goldstandard, welcher dieselben Einflüsse auf das Geldsystem hätte, zählt in dieser digitalen Welt nicht. Obwohl ich das Argument, das mein Goldbarren auch ohne Strom und Internet funktioniert, stichhaltig finde. ;)
Um das kurz zu dokumentieren, hier 2 Beispiele aus der Bitcoin Welt:
1. Michael Sailor, Milliardär und CEO eines Börsennotierten US-Unternehmens, der letztens die kompletten ersparten Milliarden in den Bitcoin investierte.
https://www.youtube.com/watch?v=Ow4i4p0RyvI
Das Zweite ist selbstsprechend.:
https://twitter.com/titodurriz/status/1400997001861296129
Zum Schluss noch zwei Zitate aus dem Buch „Der Bitcoin Standard“.
„Ich habe nicht die Absicht, dieses Buch und den Leser mit metaphysischen Fragen zu konfrontieren, aber es ist mir einmal in den Sinn gekommen, dass das Bitcoin-Ledger mit all seinen Transaktionen vielleicht das einzige objektive Faktenwerk der Welt ist. Sie könnten argumentieren, dass alle Fakten subjektiv sind und ihre Wahrhaftigkeit auf der Person basiert, die sie angibt oder hört, aber das Bitcoin-Ledger mit all seinen Transaktionen entsteht, indem Strom und Rechenleistung in Wahrheit umgewandelt werden, ohne auf das Wort von irgendjemandem verlassen zu müssen.“
So entsteht das 1. Gebot: Keinen Gott neben dem einem.
Ich bin übrigens ein großer Freund des Bitcoin und sehe im Ende der Zentralbanken ebenfalls die einzige Hoffnung diese "Zivilisation" zumindest zeitweise wieder zu so etwas ähnlichen wie einer Kultur zurückzuführen.
Jetzt bin ich im 2. Teil des Beitrags, aus aktuellen Anlass, etwas abgeschweift, Entschuldigung hierfür.
Grüße
Peridot