Hallo!
Die andere Option ist, dass eine Fälscherbande (ebenfalls von Akademikern) am Ende der 1940er Jahre sich was sehr Besonderes ausgetüftelt hat - und dabei auf den Schwätzer Rill zurückgriff und ihm das unterstellt oder ihn sogar zur Kooperation bewogen hat.
Daß Rill da irgendwie als Komplize mit drinhängt, ist wohl eine Bedingung dieser Theorie (vgl. Ulrich und Randomizer). Es sei denn, der Handschriftabgleich* mit der aufgefundenen Postkarte stimmt nicht (läßt sich heute nicht mehr nachprüfen) und es ist doch nicht Rills Handschrift in den Briefen. Die Briefe könnten dann in abgewandelter Form in Verkehr gekommen sein, die der 1958 verstorbene Rill nie zu Gesicht bekam und die er auch nicht als Fälschung entlarven hätte können. Da liegt noch einiges im Ungewissen.
* Die Stelle in Benders Expertise, Teil 1, S. 12: "Eine noch vorhandene Feldpostkarte vom 1. November 1914, die Andreas Rill an einen Verwandten schrieb und die an ihn mit dem Stempel zurückgekommen war 'Zurück! Welches von vielen Lazaretten?', zeigt dieselbe Handschrift wie die Feldpostbriefe."
Die Fragen sind,
- ob es diese Postkarte wirklich gab (Warum sollte sich Bender das ausdenken?),
- ob Bender sie zu Gesicht bekam oder ihm das nur erzählt wurde (unwahrscheinlich),
- ob Bender, der ein Fan der Feldpostbriefe war, die Identität der Feldpostbriefhandschrift mit der (schon eher authentischen) Postkarte nur gutwillig interpretiert hat (durchaus möglich),
- ob die Handschriftenprobe auf der Postkarte hinsichtlich Länge und Qualität überhaupt ausreichend war, um einen solchen Abgleich durchzuführen.
Die Feldpost-Geschichte erscheint mir irgenwie komplizierter als bisher gedacht. Wie gesagt interessiert mich aber nur die Frage, ob sie etwas zu den Russen bzw. zum einem neuen Feind bzw. zu einem "dritten Geschehen" aussagen könnte.
Wohl kaum. Die Briefe in der Version, die den 40er Jahren aufgetaucht ist und Pater Frumentius zugespielt wurde, geht offenbar von einem "dritten Weltgeschehen" unmittelbar nach dem "zweiten Weltgeschehen" aus ("Er sagte, das soll im Jahre 1949 sein. 47 und 48 sollen die Jahre dieser wilden Einkehr sein."). Das lag zu dem Zeitpunkt, als Frumentius von den Briefen erfuhr bzw. den zweiten Brief (zumindest als Kopie) bekam, noch in der Zukunft.
Die Idee eines russischen Feldzuges geht ebenfalls, wie jene des "Großen Monarchen", auf christlich-endzeitliche Motive zurück und hat ähnlich viele Wandlungen erfahren. Ab dem 7. Jahrhundert war es der Islam, der über das im östlichen Mittelmeer konzentrierte christliche Reich herfallen sollte. Die biblischen Völker Gog und Magog, die Alexander der Große jenseits des Kaukasus (von Süden betrachtet), also im heutigen Rußland hinter einer Mauer eingesperrt haben soll, sind dessen Unterstützer. Im europäischen Mittelalter waren es zunächst die Türken (die gab es zur Zeit des Pseudo-Methodius noch nicht), die ihre Kamele im Rhein tränken sollten bzw. die Araber, die Südeuropa erobern sollten (bei Nostradamus ein Kernthema). Erst spät, wohl ab dem 19. Jahrhundert, ging das Motiv auf die Russen über (vgl. die "bärtigen Völker des Siebengestirns" in der erst 1849 dokumentierten Birkenbaumsage) und hat sich vollends verfestigt, als Rußland unter dem Kommunismus zu tatsächlich zeitweise zu einer antichristlichen Macht geworden zu sein schien. In dieser Version wurde die alte Weissagung dann in den Feldpostbriefen (mutmaßlich erst in den 40er Jahren in der vorliegenden Version entstanden) aufgegriffen und naherwartungsgemäß in die nächste Zukunft gelegt. Zieht man all dies, die falsche Zeitangabe und die Herkunft des Motivs aus der Endzeitprophetie, ab, so bleibt eigentlich nichts tragfähiges übrig.
Bitte keine gelehrten Belege zu Zitronen in Oberbayern mehr aussuchen! Es ist mir jetzt etwas peinlich, dass ich ungewollt Deine Zeit so beansprucht habe.
Keine Ursache. Mache ich doch gerne.
Gruß
Taurec
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„Es lebe unser heiliges Deutschland!“
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„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“