Hallo,
Die Idee eines bösen Buben, der am Ende der Tage erscheint, ist überhaupt nicht christlich-prophetischen Ursprungs, sondern geht auf persische Vorstellungen zurück. Dieses kulturelle Element haben sich die Juden quasi abgeschaut und später auf das Christentum übertragen.
ja, aber das Bild hat sich gewandelt: Während der Verfasser des Johnnes-Evangeliums vermutlich schlicht und einfach die Geisteshaltung diverser "Irrlehrer" (in seinem Sinne) mit diesem Begriff bezeichnet hat, wurde spätestens ab dem 4. Jh. von Tyconius die Bezeichnung des "Corpus Antichristi" eingeführt, die es erlaubte, eine Abfolge beliebig vieler (politischer) Gegner des Christentums zu diskreditieren, die - jeder für sich - als Vorläufer des johanneischen Endzeit-Antichristen bezeichnet wurden.
Daß Adso die kursierenden Legenden, im wesentlichen Texte der tiburtinischen Sybille des 4. Jahrhunderts auffrischte, zusammenfasste und sozusagen eine Biographie des Antichristen zusammenstöpselte, hatte seinen Grund in der (Maya-Kalender-freien) Endzeiterwartung zum Jahr 1.000, weil man die "1.000 Jahre" der Johannes-Apokalypse zu wörtlich nahm.
Mit Adsos Antichrist ist jedoch der "Friedenskaiser" ( http://de.wikipedia.org/wiki/Friedenskaiser ) eng verwandt oder verschwägert, weshalb man auch diesem Gespenst der Überlieferung diverser Schauungen m.E. ebenso kritisch begegnen sollte wie dem - fiktiven - personifizierten Antichrist, dessen - fiktiver ? - Gegenspieler er darstellt:
"Verknüpfte schon Adso seine Antichrist-Vita mit einer politischen Stellungnahme zugunsten der westfränkischen Ansprüche auf die Kaiserherrschaft, propagiert das älteste erhaltene Antichristspiel, der lateinische Ludus de Antichristo, ein Römisches Reich unter deutscher, d. h. staufischer Herrschaft gegen französische Ansprüche."
Quelle: Wolfram Brandes (Hrsg.), Felicitas Schmieder (Hrsg.): "Antichrist: Konstruktionen von Feindbildern." S. 179 ff.
Die Legenden bzgl. dieses zukünftigen Kaisers sind untrennbar mit der Idee des personifizierten Antichristen verknüpft, dazu im "Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens" das Kapitel "Chiliasmus"(pdf).
Gruß
Ulrich