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Der scheinbare Glaube der Vorfahren (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 14.05.2017, 00:26 (vor 2749 Tagen) @ Tannenbaum (2634 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Montag, 18.09.2017, 09:19

Hallo!

Gerne glaubt man ja heute, dass wir die ganz Schlauen sind und unsere Vorfahren allesamt nur Ziegenhirten, Beerensammler und quasi Halbaffen waren.

Blöd nur, daß schon lange vor Kolumbus bekannt war, daß die Erde eine Kugel ist. Das Gerücht, man hätte an eine flache Erde geglaubt, wurde von modernen Menschen ersonnen, um unsere Vorfahren im Vergleiche zur allgemeinen Erleuchtung unserer Tage als ganz besonders bescheuert darzustellen.
⇒ Eine Genugtuung, daß wir heute Aufklärung, Wissenschaft, Demokratie, freie Meinungsäußerung und Fortschritt haben! ;-)

Mir scheint, daß in der Tat, was ich zu wiederholen nicht müde werde, das Gegenteil der Fall ist: Nie waren Menschen (und zwar manche mit voller Absicht!) so greulich dumm wie heute. :no:
Jeder noch so dämliche Unsinn wird geglaubt, aus dem reinen Prinzip heraus, daß er sich gegen etwas anderes abhebt, daß sich zuvor durchgesetzt hatte.
Theorien wie zur "flachen Erde", aber auch, was man sonst in einschlägigen Foren so liest oder sich von seinen Mitmenschen diesseits des Bildschirms an Schwachsinnigkeiten bieten lassen muß, zeigt nur, daß uns kollektiv und konsequent jeglicher vernünftige Maßstab abhanden gekommen ist und wir als Kulturkreis quasi fertig haben, unseres Untergangs harrend. In der demokratischen Vermassung, in der ein synkretistisches, völlig beliebiges Zusammenklauben der Meinung stattfindet, ist ein rapider Niedergang des Geistes zu beobachten.

Es ist das (bzw. die Vorstufe dessen), was Spengler als "zweite Religiosität" beschrieb: Ein naives Glaubenwollen, nachdem der weltstädtische Verstand des Nachdenkens und der Skepsis (höchst anstrengend und Bildung im ursprünglichen Sinne erfordernd) müde geworden ist und sich nur noch – natürlich mit Scheinargumenten kaschiert – in künstlichen und fruchtlosen Lehren gehen lassen will. Dabei ist es letztlich gleich, ob die religiösen Formen der Frühzeit an sich in einer sterilen Spätform wiederkehren, oder ob geglaubt wird, was der unwissende letzte Mensch für den alten Glauben fälschlich hält.
Zum Mäusemelken! ;-(

"Jede Aufklärung schreitet von einem schrankenlosen Verstandesoptimismus, der stets mit dem Typus des Großstadtmenschen verbunden ist, zur unbedingten Skepsis fort. Das souveräne Wachsein, das durch Gemäuer und Menschenwerk rings von der lebendigen Natur und von der Erde unter sich abgeschnitten ist, erkennt nichts an außer sich. Es übt Kritik an seiner vorgestellten, vom alltäglichen Sinneserleben abgezogenen Welt, und zwar so lange, bis es das Letzte und Feinste gefunden hat, die Form der Form – sich selbst, also nichts. Damit sind die Möglichkeiten der Physik als des kritischen Weltverstehens erschöpft und der Hunger nach Metaphysik meldet sich wieder. Aber es ist nicht der religiöse Zeitvertreib gebildeter und literaturgesättigter Kreise und überhaupt nicht der Geist, aus dem die zweite Religiosität hervorgeht, sondern ein ganz unbemerkter und von selbst entstehender naiver Glaube der Massen an irgendwelche mythische Beschaffenheit des Wirklichen, für die alle Beweisgründe ein Spiel mit Worten, etwas Dürftiges und Langweiliges zu sein beginnen, und zugleich ein naives Herzensbedürfnis, dem Mythos mit einem Kultus demütig zu antworten. Die Formen beider können weder vorausgesehen noch willkürlich gewählt werden. Sie erscheinen von selbst, und wir sind weit von ihnen entfernt. Aber die Meinungen von Comte und Spencer, der Materialismus, Monismus und Darwinismus, die im 19. Jahrhundert die Leidenschaft der besten Geister geweckt hatten, sind heute doch schon die Weltanschauung der Provinz geworden."

Noch versucht man, dem Stil der Zeit gemäß, seine Auffassungen mit Argumenten (mögen sie auch noch so abwegig sein) zu untermauern. Künftig ist damit zu rechnen, daß diese Dinge als reine Selbstverständlichkeit ganz ohne Begründung glaubwürdig sind. Mit der Annahme, wir seien von dieser Stufe noch um viele Generationen entfernt, lag Spengler womöglich falsch.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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