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Garcilaso de la Vega bzw. Prophezeiungen allgemein fragwürdig (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 20.03.2022, 16:02 (vor 1140 Tagen) @ Sarah (1497 Aufrufe)

Hallo!

Historisch finden sich mehrere Personen dieses Namens:

Die sind hier offenbar nicht gemeint.

Berndt (wie alle folgenden Zitate aus "Zukunftsvisionen der Europäer" von 1993):
"Garcilaso de la Vega, geboren in Argentinien, lebte in Peru, Spanien und England. Seine Botschaften erhielt der stigmatisierte Pater in Maria Laach in der Eifel zwischen 1980 und 1982. Ein gewisser Pater Thomasius aus Düsseldorf soll die in drei Büchern zusammengefaßten Visionen eingehend geprüft, mit der Bibel verglichen und für gut befunden haben. Dieser Pater Thomasius stellte aus diesen Visionen sogenannte Geleitbriefe zusammen. Aus einem dieser Briefe habe ich die Daten bezogen."
Übereinstimmung mit der Bibel kann natürlich kein Qualitätsmerkmal sein, im Gegenteil. Es spricht für eine problemlose Eingliederung in den christlichen Prophezeiungskanon und macht die Quelle erst recht verdächtig, denn dann sind es keine Schauungen, sondern Glaubenskonstrukte, die ihren Wert nur im Lichte des zu glaubenden Kanons erhalten und mutmaßlich von diesem gespeist wurden.

In Berndts Buch finden sich angebliche Aussagen Vegas, die wie ein Paraphrase Irlmaiers wirken:
"Die große Erschütterung und die drei finsteren Tage. Die Erdachse verschiebt sich und die Sonne verändert ihren Himmelslauf. Riesige Wasser bedrohen die Küste, im Inneren aber herrscht tödliche Dürre. Neue Wüsten werden entstehen und die alten Wüsten wachsen weiter ... Vulkane tun im Boden sich auf und Asche bedeckt das zerschundene Land. Und blutig rot schaut böse der Mond, und die Gestirne halten ihren Schein zurück."

"Der 3. Weltkrieg bricht aus, wenn das Gerede vom Frieden seinen Höhepunkt erreicht hat."
Vorlage: Schönhammer 1978, wo "Alles ruft Frieden, Schalom!" erstmals gedruckt wurde, das in der Folge fälschlicherweise Irlmaier zugeschrieben wurde. Tatsächlich stammt es von einem Laienpriester namens Benedikt Günthner (im Forum schon oftmals erwähnt, bitte suchen) und ist keine Schauungsaussage, sondern Gegenwartsphantasie Günthners.

"Die drei Panzerspitzen - Der gespleißte und gespaltene Pfeil, der gerade durchstoßende Pfeil, der scheinbar gebrochene Pfeil."
Insbesondere diesen Satz halte ich für eindeutig auf die Irmaierprophezeiungen zurückgehend, wo die drei Stoßkeile erstmalig in den Prophezeiungskanon eingeführt wurden.

"Die Kapitulation der Ärzte und die Monster (Mißbildungen). Die Not der Schwangeren. Ihre Konzentration in Lagern zu reihenweiser Zwangsabtreibung, sowie Euthanasierung der Neugeborenen - wer sich dagegen wehrt wird ebenfalls ermordet."
Irlmaier: "Die Gesetze, die den Kindern den Tod bringen" etc.

Berndt nennt als Quelle außerdem: Schnyder, Henri: Wie überlebt man den dritten Weltkrieg? Prophetische Mahnungen an die Menschheit. München 1984.
Dieses Buch besitze ich leider nicht, aber BBouvier womöglich (ich erinnere mich, daß er es mal erwähnt hat). Ich kann daher nicht prüfen, was dort über Vega zu finden ist.

Ohne die Erstveröffentlichung dieses Paters Thomasius prüfen zu können, bleibt mir nur die auf Erfahrung mit dieser Art Propheten und Instinkt beruhende Vermutung, daß entweder:

  • De la Vega nicht existiert und Thomasius der Autor der mitnichten übersinnlich inspirierten Aussagen ist.
  • De la Vega zwar gelebt hat, aber mitnichten seherisch begabt war, sondern selbst Texte verfaßte, die auf ältren Prophezeiungen des 20. Jahrhunderts (insbesondere Irlmaier) beruhen. Thomasius hätte diese, wie für seine Zunft typisch, unkritisch übernommen, weil sie in sein Konzept paßten (oder sie gar selbst nocht weiter bearbeitet).
  • De la Vega zwar gelebt hat und irgendwelche Durchgaben bekam, diese aber ein reines Spiegelbild des Prophezeiungskanons sind (ein erdnaher Geist, der ihm bekannte Aussagen zurückschickte).

Ich gehe inzwischen davon aus, dass Schauungen durchaus mehrere zukünftige Ereignisse komprimiert enthalten können

Das hat mit den von Dir genannten Namen allerdings rein gar nichts zu tun, denn dabei handelt es sich um Prophezeiungen bzw. Prophezeiungsautoren:

  • Veronica Lueken und Ida Peerdeman: Frauen, die Prophezeiungen von Mariengestalten mitgeteilt bekamen.
  • Wessel Dietrich Eilert / Bauer Jasper: Eine fiktive Gestalt à la Mühlhiasl, der im Volksmund frei flottierende Prophezeiungsfragmente angedichtet wurden.
  • Abbé Curique: Überhaupt kein Prophet oder Seher, sondern ein kompilatorischer Prophezeiungsautor wie Bekh, der 1870/71 eine auf Französisch und Deutsch verfaßte Prophezeiungssammlung veröffentlichte.

Daher halte ich Deine weiteren Überlegungen für hinfällig. Es muß zunächst belegt werden, daß Aussagen überhaupt auf Schauungen beruhen, ehe man sie als solche behandelt und Vermutungen zu ihrer inhaltlichen Auslegung anstellt. Das ist bei Prophezeiungen wegen der zumeist grottigen Quellenlage und (aus Gründen der Verschleierung bisweilen absichtlich) schlechten Dokumentation in der Regel nicht der Fall.
Das Problem ist doch, daß wir überhaupt keine belastbaren Schauungsinformationen über einen "großen Krieg" oder "Dritten Weltkrieg" in Europa haben. Dem entsprechend führen Überlegungen über die Komprimierung vermeintlich echter Zukunftsinformationen ins Leere.

Aber sollte man deshalb die gesamte Schau verwerfen? Und die sehende Person komplett aussortieren? Müsste man nicht eher herausfiltern, was von der Schau einen Bezug zur aktuellen Situation hat und was nicht?

Deshalb sollte man sie nicht verwerfen, sondern weil meist eines der folgenden zutrifft:

  • Die Seherperson ist nicht als real gelebt habender Mensch nachweisbar.
  • Der Autor, der solches behauptet, ist nicht vertrauenswürdig, weil er religiös kompromitiert ist, nicht als wertneutraler Forscher agiert, sondern als jemand, der für seine Glaubenssache schreibt.
  • Der Bericht des angeblichen Schauungserlebnisses wirkt nicht wie eine Visionsbeschreibung, sondern enthält nur pauschale Behauptungen, Glaubensaussagen und moralische Botschaften.

Läßt man diese Punkte außer Acht und interpretiert die vielen oberflächlichen und in viele Richtungen interpretierbaren Versatzstücke wie z. B. "Friedensgerede vor dem Krieg" hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit jeweils aktuellen Situationen, um eine angebliche Schau zu untermauern, findet man in den vielen, in einem Menschenleben vorüberziehenden historischen Ereignissen immer irgend etwas passendes, das man fälschlicherweise für einen Treffer statt eine Scheinkorrelation hält. Man unterliegt einer fortwährenden, logisch zirkulären Scheinbestätigung, weil man den Elefanten im Raum nicht sieht, der darin besteht, daß man Fälschungen nicht erkennen kann, wenn man systematisch für, also auf die Bestätigung einer behaupteten Zukunftsaussage hin denkt und argumentiert, statt zunächst an der Quellenlage anzusetzen und die Gegenhypothese "Fälschung und was dafür spricht" zu betrachten.

Nun gibt es diese geschauten Friedensbemühungen

Das ist allerdings eine dialektische Banalität, weil zu allen Zeiten, wenn Krieg droht oder ausgebrochen ist, logischerweise im Vorfelde und währenddessen auch immer vom Frieden die Rede ist. Es kann gar nicht anders sein, weil sich die Frage des Friedens mit dem Kriege zwangsläufig erhebt und umgekehrt mit dem Frieden die Kriegsangst.
Das macht den geneigten, aber einseitigen Interpreten ja gerade so anfällig, die angebliche Schauung als eingetroffen zu betrachten, wenn mal wieder irgendwo auf der Welt ein Krieg ausbricht. :hamper:

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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