Lieber Baldur,
ich würde mich dem Thema gern in einer würdevollen, sakralen und gediegenen Stimmung nähern, doch leider war mir dies noch nicht vergönnt.
Ab Montag werde ich die ersten wirklichen vier Urlaubstage des Jahres produktiv angehen, weil mir (russ.: Frieden) sonst die Gülle der Zivilisation den Schützengraben flutet.
Ich bin mit dem linken Fuß müde in dieses neue Hamsterrad gestolpert, weil Plan A (glücklicherweise) scheiterte, und staune täglich darüber, was mir täglich so begegnet.
Meine Erschöpfung hat sich auf ein unerträgliches Maß eingependelt, der Instinkt will töten, aber der Verstand maßregelt, und verleitet zur Prolongation der Misere.
Ich verblöde, verliere an Antrieb, und mein Ziel ist eine Fata Morguana am finsteren Horizont.
Wenn ich stets verspätet nach der Arbeit nach Hause in meine Häuser komme, schlage ich direkt unvermittelt und erschöpft, ohne jede Kraft zur Schutzreaktion, mit dem Gesicht auf dem Estrich neben der Haustür auf.
Dann penne ich, wenn der Hormonspiegel es zuläßt, eineinhalb Stunden. Danach plappern liebe Schnuten unaufhörlich, und ich versuche, mich zu sammeln.
Nach diesem kurzen Aufbäumen vor dem Täglichen Tod, bleibt nur noch unter Anstrengung Zeit, etwas Wahres zuzubereiten, was auch nährt.
Doch wer sich nicht nährt, der stirbt verkehrt. Nach etwa 30 Minuten gleichartigem Krimi sterbe ich dann regelmäßig und sekundengenau den zweiten von drei Toden des Tages.
Da selbst in der Nacht keine Zeit mehr für Träume bleibt, muß ich sie wohl mit ins Grab nehmen.
Zur entspannten, reflektierten Betrachtung der neunwöchigen Vortragsreihe von Jürgen Ziewe (bist Du das?), muß ich wohl das Leben wechseln.
Ich habe kurz davor aber die Zeit investiert, mir ein Video anzuschauen, daß quasi aus der Betrachtung Nietzsches und Schopenhauers eben mein aktuelles Schicksal betrachtet, und dabei dringlich zur Notwendigkeit der Rebellion ermahnt.
Zu sehen waren wabernde, bewegte KI-Bilder und fehlerhafter Untertitel; aber die Botschaft war so weltlich wie klar, wie richtig, eloquent und vorzüglich. Jedem Nichtprivilegiertem sowie jedem Sozialisten müßten die Tränen noch in den Augen stehen, wenn sie bloß das Ding mit dem „Selbst“ nicht überhört hätten.
Ich rette mich tagtäglich in die verfickte Hoffnung, am Ende dieses Lebensabschnitts der Sklaverei, noch wenigstens die Hälfte meines bescheidenen IQs zu behalten, bevor ich ihn gänzlich während einer intermittierenden Kolik ausscheide.
Mission failed – go back to IQ – I repeat: mission failed – go back to IQ – MOFO!
In diesen feierlichen Stunden traue ich mir vor Müdigkeit schon selbst nicht mehr nachzuschauen, ob ich da nun wirklich Kerzen oder schon wieder Dynamitstangen im Silberleuchter platziert habe.
Dieses Bad in Gefangenschaft, Willkür und Eindimensionalität war trotzdem eine wertvolle Erfahrung.
Es wird nun aber Zeit, leise Adieu zu sagen, und bei sich umkehrender Wetterlage, selbst für etwas Spannung zu sorgen, bevor das Ich wieder zur Besinnung kommt.
Ich würde ja gerne mal wieder Eins sein, mit dem Universum, aber sobald man mir mit Herdentieren als Metapher kommt, zieht meine Wolfsnase Nebenluft.
Bei aller gottverlassenen Phantasie, bin ich doch niemals im Stande, so hinterhältig und beschissen zu denken, wie so viele Privilegierte Scheißer aus den Ringen Saturns.
Davon abgesehen, mache ich im Zwischenmenschlichen Bereich fast nur noch gute Erfahrungen, aber das liegt vermutlich eher daran, daß ich dann der erste greifbare Leitwolf bin, anstatt der mutwillig unterdrückte Adjutant dessen.
Für Wunder und Übersinnliches bin ich definitiv zu deformiert, momentan.
Selbst wenn der Eßzimmertisch poltergeistlich beharrlich gegen die Zimmerdecke kloppen wollte, würde ich gelangweilt und übermüdet einfach zu Bett gehen, und davon träumen, Fenster einzubauen.
Ich selbst, als theatralischer Darsteller eines profanen und alltäglichen Schauspiels, bin hier und jetzt nicht mehr nur der Protagonist, sondern korpus inter pares. Eine Tatort-Leiche mehr.
Butt, that’s not my cupple of tea, anywhore!
Manchmal, aber auch manchmal, dämmert mir, daß ich ein Trottel bin, weil ich in mancher Weise tatsächlich privilegiert bin, und nicht unbedingt das Maximum erreicht habe.
Wer will mir auf meinem ungeprüften Pfad denn folgen?
Sophie Marceau in ihren späten Zwanzigern wäre geil.
Baldur brachte, wie versprochen das Licht in die Stube. Nur ist alle Welt zu müde, zu schauen.
Bei aller tatsächlichen Hingabe, bin ich derzeit doch gar nicht im Stande dazu, etwas Höheres aus dem Tümpel der Tumbheit zu erblicken als das Spiegelbild meines Eigenen Entsetzens.
Während ich das hier schreibe, hat sich eine Getränkedose bewegt – diesmal ohne Vakuum unterm Boden. Der Dokumentenstapel daneben war auch noch stabil.
Den Müllhaufen an seelenlosen Dokumenten, den ich gerne Ordnung taufen würde, mag ich jetzt nicht für Beweiszwecke zur Dokumentation nötigen, also bleibt mir nur die Behauptung des Geschehens.
Ich fand es ungewöhnlich, aber unspektakulär. Will aber auch nicht, daß hier im Namen unserer edlen Vorfahren, Hämmer und Äxte willkürlich durch die Luft fliegen.
Interessanter Vorgang.
Sehr liebe Grüße ans südliche Deutschland!
Fenrizwolf