Opas 50ster Todestag (Freie Themen)

Baldur, Samstag, 14.07.2018, 19:05 (vor 2358 Tagen) (3150 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Donnerstag, 16.08.2018, 11:10

Hallo,

mein Opa selig war Zeitgenosse Irlmaiers.

Geboren im Kaiserreich bzw. Königreich Bayern anno domini 1893, war er unfreiwilliger Teilnehmer des Weltkriegs erstem Teil.

Zwar schwer verwundet, aber nicht ausgelöscht, kehrte er 1918 von der Westfront heim.

Er hörte Adolf in der Bahnhofswirtschaft 1923 bei einer Veranstaltung vor Ort aufmerksam zu, was der zu sagen hatte, und war derweil bereits Staatsbeamter.

Er hauste allerdings mit seiner Familie (trotz seiner nicht am sozialen Ende befindlichen Kaste) in einem feuchten Kellerloch voller Nässe und Schimmel. Diesbezügliche Schreiben an den Magistrat der Stadt brachten null Abhilfe.

1933 wendete sich das Blatt eigenartigerweise schlagartig zum Besseren.
Schon komisch. Weswegen denn? Opa war kein Parteimitglied vor 1933. Dann aber schon. Klar.

Er bekam als Beamter (vor Parteibeitritt) eine trockene Dienstwohnung. Die Familie gesundete und gedieh.

Nach dem Weltkrieg zweitem Teil, also 1945, bekam er keine Staatsanstellung mehr, weil er ja 1933 Parteimitglied wurde. Und nicht mehr in Kellerloch hauste.

Zuvor musste er allerdings noch die Rheinwiesenlager überleben, in die er (als erkennbarer, völlig wehruntauglicher, gehbehinderter Invalide) zum Verrecken deportiert wurde, ohne sein Jackett mitnehmen zu dürfen, am Ami-Deportations-Truck ohne Plane.

Er entkam im Leichenwagen, weil er auf der Totenpritsche am Transport zum Massengrab nach mutmasslichem Exitus Letalis durch Aushungerung wundersam unerwartet wieder aufwachte, und entkam. Es war ein harter Hund, mein Opa.

Beim Staat-1 sein geht nicht zusammen mit beim Staat-2 sein.

Ah, ja.

Übrigens, nein, er hat niemanden ermordet, sein Entnazifizierungsverfahren endete mit einer symbolischen Geldbusse als Mitläufer.
Er durfte statt dessen die auf Puppengrösse zusammengeschrumpften, lebendig verbrannten Bombardierungsopfer aus seiner Nachbarschaft identifizieren.
Lediglich. Egal, waren ja nur Krouts.

Immerhin wurde er vom Dingenz befreit, wofür wir alle dankbar sein müssen. Dürfen tun.

Mein Vater, sein Sohn, überlebte nur deswegen seine Befreiung vom Dingens 1945, weil er als 7-Jähriger mit einem Hechtsprung vor einem amerikanischen Tiefflieger in Deckung hinter einen Holzstapel sprang, auf einem einsamen Bauerndorf in Oberfranken, ohne jegliche deutsche Truppen in der Nähe.
Kleine Kinder auf dem Feld abknallen, das war halt "in".
Egal, waren ja nur Krouts.

Es war halt nur ein dammn fucking Krout. Yeah. Watt schällz.

Würde Opa heute aus dem Grabe auferstehen und sehen, was aus seiner damaligen Welt wurde, er würde wohl freiwillig zurückkriechen ins feuchte Fango-Nass auf 180cm Kellertiefe.

Yeah. Und Kotz gleich danach.

Aus der damaligen Zeit kann es gar keine zutreffenden Schaungen geben, denn niemand mit gesundem Menschenverstand hätte sich vorstellen könne, dass es diesen Weg nimmt.
Jeder hätte das als völlig absurd verworfen, und als Schauung geknickt.

Beste Grüsse vom Baldur


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