neu formatiert ? (Schauungen & Prophezeiungen)

Gerhard, Samstag, 19.06.2010, 22:09 (vor 5465 Tagen) @ Hinterbänkler (4012 Aufrufe)

Hallo, und besten Dank, an den Herrn von der hinteren Bank!

Ich habe gerade Deinen Artikel im „Gelben Forum“ gelesen. Wenn ich ihn richtig verstehe, so nimmst Du an, dass die Dreitägige Finsternis bzw. die damit verbundenen Ereignisse uns einen solchen Schlag verpassen, dass wir mehr oder wenig automatisch auf den richtigen Weg zurück finden werden. So etwa, wie wenn wir einen Rechner, nachdem er sich aufgehängt hat, zuerst mal ausschalten und neu booten – gegebenenfalls auch die Festplatte neu formatieren und ein Restore machen.

Mag sein, dass das funktioniert. Für einen Teil der Betroffenen gilt das ganz sicherlich (fragt sich nur, wie lange das dann anhält …). Mit einem anderen Teil der Betroffenen wird aber vielleicht das passieren, was das Lindenlied so ausdrückt: „hat verloren den Verstand“.

Ich wollte in meiner Antwort auf Trace nur darauf hindeuten, dass man im Prinzip heute schon damit beginnen kann, sich auf das hin auszurichten, was die Weltenwende sein soll. Und das wiederum benötigt Selbstreflexion und Bereitschaft für Neues. Dann wird man auch die Wende überstehen und gleichzeitig vielleicht bewahrt sein, in alte Fehler zu verfallen.

Du sprichst von neuem Bewusstsein und von einer geistigen Wende. Was ist das genau? Und wäre das Neue? Bewusstsein und Geist schlagen sich in unserem Denken nieder und äußern sich vom Denken aus. Wenn Bewusstsein oder Geist sich ändern, dann sollte das also im Denken sichtbar sein. Dort beginnt der eigentliche Wandel - und dort beginnt auch der Kampf.

Nehmen wir, weil gerade die WM in Südafrika ist, die Apartheid als Beispiel. Wenn vor 20 Jahren ein Impakt das Land getroffen hätte, wäre damit die Apartheid geändert worden? Vielleicht. Aber ich glaube das eher nicht. Nur jene Änderungen sind wesentlich und zählen, die von und in den Menschen selbst erstehen. Und da könnten wir nun historisch einsteigen in eine Analyse all jener mühsamen Wege und Opfer, jener geistigen, politischen und gesellschaftlichen Anstrengungen, die nötig waren, um die Verhältnisse in Südafrika zu ändern. Und man könnte sogar darüber diskutieren, ob sich überhaupt etwas geändert hat in Südafrika. Denn all die aus kämpferischem Idealismus errungenen Wenden der Geschichte - unsere eigene vor 20 Jahren zeigt das ebenfalls - werden sehr schnell wieder von den Mächtigen korrumpiert und für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert. Es ist das Kennzeichen der wahren (und bösen) Macht, dass sie mit allen Systemen und mit allen historischen Situationen sich schnell zurechtfindet und am Ende wieder triumphiert.

Du hast geschrieben: Der Staat bleibt das kälteste aller Ungeheuer!

Nun, das ist gewiss richtig, aber man kann den Staat nur abschaffen oder in eine bessere Struktur transformieren, wenn man sich mit ihm auseinandersetzt. Ich hatte darauf hingewiesen, dass deutsche Denker sich seit Jahrhunderten um diese Fragen bemühen und zu brauchbaren Ergebnissen gekommen sind. Der von mir erwähnte Schachtschneider ist zwar ein Jurist und redet in erster Linie seine Fachkollegen an – die genau wissen, dass er Recht hat, aber ihn insgeheim auslachen. Ich könnte aber auch Frank Oppenheimer zitieren (bei dem Ludwig Erhard, der Vater der ebenfalls modellhaften „Sozialen Marktwirtschaft“ studiert hat):

Der Staat ist und war immer das Ergebnis aggressiver Gewalt, Eroberung und Plünderung. Die Sicherung seiner Existenz erfolgte stets durch die massive Ausbeutung und Unterdrückung der Gesellschaft und ihrer Mitglieder.

Breit und gewaltig rollt der Strom der Geschichte - und alle Geschichte bis heute ist Staatengeschichte - an uns vorbei, und sein Lauf entschwindet uns in den Nebeln der Zukunft. Dürfen wir es wagen, Vermutungen über seinen ferneren Lauf anzustellen? Ist eine wissenschaftlich begründete Prognose der künftigen Staatsentwicklung möglich?

Ich glaube, dass sie möglich ist. Die Tendenz der Entwicklung des Staates führt unverkennbar dazu, ihn seinem Wesen nach aufzuheben: er wird aufhören, das "entfaltete politische Mittel" zu sein, und wird "Freibürgerschaft" werden. Der "Staat" der Zukunft wird die durch Selbstverwaltung geleitete "Gesellschaft" sein.

Neben Schachtschneider und Oppenheimer sollte ich aber auch auf den Deutschen Idealismus verweisen, auf die „Revolution aus Geist und Liebe“ *** eines Friedrich Hölderlin zum Beispiel. In seinen Jahren hat man, die Ideale wie Abgründe der französischen Revolution direkt vor Augen, sich auch bei uns in Deutschland intensiv darüber Gedanken gemacht, wie Menschen in größeren Gemeinschaften zusammenleben könnten. Vom Gedankengut des Deutschen Idealismus hat Ralph Waldo Emerson vieles Wichtige in die USA getragen, als dort die Ideen der amerikanischen Revolution zu verblassen drohten. Unter Emersons Schülern war auch Henry David Thoreau, der die berühmte Schrift „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“ verfasst hat. Und aus diesem Buch zog Mohandas Karamchand Gandhi (als er in Südafrika Rechtsanwalt war) viele Anregungen für sein Konzept des gewaltlosen, Frieden suchenden Widerstandes. Oftmals ist es eben ein langer Weg, über Räume und Zeiten hinweg, von der trockenen Theorie bis zur mutigen Praxis.

Wir waren eigentlich bei der Proph.Joh.XXIII. Es gibt dort folgende Stelle (Seite 115):

Im Lande von Brahma eine sanfte Stimme.
Sie ist das Gewissen der Welt,
das niemals sterben wird,
auch wenn ihr Fleisch getötet worden ist.

Hier ist ganz offensichtlich Gandhi gemeint.

Herzlich Grüße, Gerhard

*** so der Titel eines Buches über Hölderlin von Johannes Heinrichs, der wie Schachtschneider aktuell zu jenen Denkern zählt, die nach Licht im Dunkel der "Staatslehre" suchen.


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