Exorzismus - dann behaupten Sie es halt auch (Schauungen & Prophezeiungen)

Baldur, Montag, 02.09.2013, 11:05 (vor 4101 Tagen) @ Thomas (9092 Aufrufe)

Hallo, Thomas,

ich hoffe, ich kann etwas zur Versachlichung beitragen.

Vielleicht kennst Du den Witz, als ein alter Mann zum Arzt kommt und sich beklagt, dass sein Freund Kalle noch fünf mal die Woche einen hoch bekommt, er aber nicht mehr - was er denn da tun könne.
Worauf der Arzt sagt, dann behaupten Sie es halt auch.

Selbiges trifft auf Religionen im allgemeinen und auf den Exorzismus im besonderen zu - wenn da eine angebliche Wesenheit behauptet, sie hätte angeblich diesen oder jeden Namen. Wobei es ja ganz erstaunlich ist, woher die Kirche denn das alles wissen will, wen es als Engel oder Dämonen gäbe, welche Namen sie hätten, und wofür sie zuständig seien.
Woher wissen die das so genau? Sie wissen eben nichts. Und was sie glauben, ist haarsträubend.

Irgendeiner wird das halt mal aufgeschrieben haben, wahnhaft oder nicht, aber objektiv betrachtet, ist das alles ohne jegliche Beweiskraft, zumal es bei der dunklen Feldpostnummer wohl überwiegend *Ergebnisse* aus *hochnotpeinlichen* = grausamsten Befragungen im mittelalterlichen Folterkeller sein dürften - vgl. die Filmsequenz aus *der Name der Rose*, als der von Qualtinger dargestellte Mitbruder bekennt, vom Teufel besessen zu sein. Da kommt ein Gepeinigter schnell auf die tollsten Ideen, nur, um endlich in Ruhe gelassen zu werden, bis man ihn verbrennt. Und das soll man als Diskussionsgrundlage nehmen?

Stimmenhören ist ein recht verbreitetes Phänomen, die Mutter eines Schulfreundes war betroffen und endete in einer Verzweiflungstat, als sie sich an einem Wohnungs-Türgriff (!) erhängte. War sie deswegen *besessen*? Sie hatte keine übernatürlichen Fähigkeiten, hatte kein verändertes Aussehen oder unflätiges Benehmen. Allerdings litt sie enorm, ging aber nicht zum Arzt, aus Angst, für verrückt erklärt zu werden.

Ich bestreite überhaupt nicht, dass Menschen von stark negativen Wesenheiten gequält werden können, wobei man diese Variante manchmal angesichts der Umstände annehmen muss, weil alle anderen Erklärungsversuche nicht mehr überzeugen. Aber wieder sind wir an dem Punkt, dass dieser Einfluss doch alles behaupten kann, was "es" will, und es dafür keinerlei Beweise gibt.

Der berühmte Professor Hans Bender aus Freiburg wurde bundesweit bekannt, als in Rosenheim ein *Geist* namens Chopper aus dem Abfluss des Waschenbeckens einer Zahnarztpraxis herausgröhlte, und er den Fall untersuchte. Was auch immer wirklich geschah, ich bin mir sicher, die Stimme gehört nicht zu einem Wesen namens Chopper.

Wieso wird es in kirchlichen Fällen dann einfach übernommen?

Eine Teilnehmerin an einem Seminar schilderte einmal einen gänsehauterzeugenden Fall, als sie mit Bitte um Hilfe zu einer Person gerufen wurde, die vorgeblich vom Teufel besessen sei. Genau das sagte nämlich dieser Einfluss, wenn ich es einmal so bezeichnen darf.

Allerdings glaubte diese Dame nicht an Gott und Teufel, und liess nicht locker, worauf es sich herauskristallisierte, dass es sich wohl vielmehr um einen quasi pubertierenden Jugendlichen handelte, der einfach Angst und Schrecken verbreiten wollte. Der war dann auch recht leicht zu verscheuchen. Das sah zu Beginn noch ganz anders aus, recht theatralisch eben.

Wodurch sich die Opfer diesen Einfluss zuziehen, ist doch völlig offen. Ein "schlechter" Lebenswandel oder das Betreiben von spiritistischen Praktiken dient der Kirche als Erklärung, aber aus dieser Ecke kann man ja auch keine sinnvollere Begründung erwarten. Angst ist die Grundlage des Geschäftsmodells, und neben dem Tod ist Besessenheit die beste Werbung für eine Mitgliedschaft dort. Also sollte man alles mit gebührendem Abstand betrachten.

Im Gegenteil ist es eine Verhöhnung der Opfer, wenn ihnen und deren Familien suggeriert wird, sie seien an dem Elend auch noch selbst schuld. Das ist finsterstes Mittelalter. Der schlechte Lebenswandel im Sinne der Kirche ist heute so verbreitet, dass Besessenheit ein Massenphänomen sein müsste. Zudem ist es schon sehr eigenartig, wenn sich derart mächtige Geistesparasiten in den meisten Fällen durch simple Medikamente verscheuchen, bzw. sich die Wahnvorstellungen auf diese Weise abstellen lassen. Welchen Zweck eine Besessenheit erfüllt, ist auch nicht klar.

Psychokinese, also das Bewegen von Gegenständen, ohne sie zu berühren, ist aus dieser Perspektive klar auf Besessenheitskräfte zurückzuführen. Dann muss dieser Junge, bzw. alle gezeigten Kinder besessen sein:

http://de.nachrichten.yahoo.com/kinder-mit-superkräften-134512214.html?vp=1

Jesus wird nachgesagt, er hätte übers Wasser laufen können - dann muss auch er besessen gewesen sein. Den Juden gilt Jesus demnach konsequenterweise auch als banaler Zauberer.
Hiob wurde offensichtlich auf andere, nicht minder schreckliche Weise von einem psychopathischen Verbrecher tyrannisiert, den die alten Schriften jedoch krasserweise als Gott bezeichnen.

Ja, gehts noch? Das alte Testament trieft vor lauter jenseitiger, zerstörerischer Einflussnahme auf einzelne Menschen und ganze Völker. Und diese fragwürdige Macht soll plötzlich Schutz gewähren gegen andere, übelwollende Konkurrenten? Handelt es sich gar um Machtkämpfe auf der selben, üblen Seite, wie ein Bandenkrieg der Mafia?

Rolf Olsen drehte einmal einen Film, Reise ins Jenseits, der einen vom Boden abhebenden und schwebenden afrikanischen Medizinmann zeigt. Physikalische Medien levitieren während spiritistischen Seancen, Gegenstände ebenso. Aber die betreffenden Leute werden ganz offensichtlich nicht gequält, leben ganz normal und selbstbestimmt. Die Wirkkräfte, die hinter allem stehen, entstammen nach Erklärung des Spiritismus der geistigen Welt, aber tausende von Leuten weltweit konnten und können sie nutzen, ohne besessen zu werden - wieso?

Besessenheit ist ein extremer Randbereich wie (Marien-) Erscheinungen, für die es ausreichend Indizien gibt, aber keine wirklich befriedigende Erklärung.

Ehrlicherweise sollte man sagen, es lassen sich keine brauchbaren Aussagen über die Hintergründe treffen. Die Kirche redet enorm viel, aber sagt rein gar nichts konkretes aus. Alle deren Vorstellungen haben gemeinsam, dass es sich um reine Postulate handelt, theoretische Gedankengebäude, für die es keinerlei Indizien gibt. Allerdings entstammen die meisten einer dunklen Epoche der Menschheit, die vor allem deswegen so dunkel war, weil die Kirche sie mit Hysterie beherrschte und mit ihrem wahnhaften Terror verdunkelte.

Man kann Kräfte, Energien oder Gesetzmässigkeiten immer zum Guten oder zum Schlechten nutzen. Savants zeigen, dass dem Menschen mehr Fähigkeiten mitgegeben werden, als die meisten im Alltag nutzen. Stigmatisierungen zeigen, dass die angeblichen Wundmale genau an den Stellen auftreten, die im jeweiligen Kulturkreis auf Bildern, Darstellungen, kruzifixen abgeildet werden, unabhängig anatomischer oder historisch-archäologischer Verhältnisse. Ein starkes Indiz, dass derartige körperliche Wandlungen suggestiv erzeugt, und nicht von aussen induziert sind.

Man kann aber nur dann forschend weiterkommen und Hilfestellung leisten, wenn man sich in die Grenzbereiche unvoreingenommen vorantastet.

Mit zu Berge stehenden Haaren erstarren und weglaufen passt zu Catweazle, aber nicht in die moderne Zeit.

beste Grüsse vom Baldur


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