Meine Vermutung geht dahin, dass irgend ein "Schreiberling" auf den Velten aufmerksam wurde und dessen Visionen (die durchaus authentisch gewesen sein mögen) dann aufbereitet und in diese Schrift hinein verpackt hat. Dieser "gedruckte" Velten ist nicht mehr Urgestein - sondern zugehauen, geschliffen und poliert.
Hallo, Gerhard!
1)
Meine Beurteilung des uns vorliegenden Textes "Velten"
deckt sich mit Deiner obig zitierten.
Mich deucht, "Velten" (oder wer auch immer -eher!)
hat Prophezeiungen einem "Journalisten" zur Kenntnis
gebracht, der sie dann veröffentlicht hat.
Falls denn überhaupt ein persönlicher
Kontakt "Velten"-Journalist überhaupt jemals
bestanden haben sollte.
(siehe unten)
Ein m.E. ganz massives Indiz dafür ist, dass
dort lauter in sich geschlossene "Scenen" eigentlich
doch nur eines Gesamtgeschehens
völlig unzusammenhängend und nacheinander:
- 2 Fehlernten * Hunger/Not * Aufruhr
- "Komet" plus folgendes Erdbeben
- Krieg
- entsetzliche Kälte
- Säureregen * "Pest * Massensterben
...geschildert werden, die fast durchgängig durch
"zwei reiche Jahre, gesegnet an Frucht, Wein,
Obst und Futter...etc"
unbedarft voneinander getrennt wurden.
So dass der uninformierte Leser vermeint,
das alles zöge sich wohl über mehrere
Jahrzehnte hinweg hin:
Lauter unterschiedliche Einzelkatastrophen,
jeweils getrennt durch "zwei oder drei gar köstliche Jahre".
Da hat doch offenbar Jemand sich die Bilder
schildern lassen - alle schön nacheinander -
und sie dann auch so zu Papier gebracht.
Weil er selber keine Ahnung hat.
Und das kann "Velten", als Seher, selbst auf keinen Fall
gewesen sein.
2)
Im Anschluss an die Bilder folgen drei Druckseiten
wirrer und nicht zutreffender Schwaronaden.
Und diese hier ist definitiv nicht von vor 1865:
=>
"...längst (hat) der Bürgerkrieg in Amerika (1861-65 !)
aufgehört und...etc..."
Der US-Sezessionskrieg wird also als bekannt vorausgesetzt!
Hier wird "Velten" damalige Gegenwart als Prophezeiung
ex eventu untergeschoben.
Gefolgt von der Vermutung, Russland führe wohl
irgendwann wieder mal einen seiner vielen Kriege
mit der Türkei.
Jedoch stimmt da rein gar nichts
mit dem Krieg von 1877 überein:
=>
- die Türkei fällt nicht auseinander
- eine Schlacht vor dem Mauern Konstantinopels gibt es nicht
- der Sultan muss nicht fliehen
- in russischer Prinz wird nicht Statthalter in Konstantinopel
- obiger Prinz trägt nicht die Krone Jerusalems
- Russland gewinnt den Krieg nicht
- Österreich steht auch nicht auf der Seite Russlands:
Im Gegenteil! => Österreich machte teilmobil und liess
in der russischen Flanke Armeen aufmarschieren, die die Russen
bedrohte und Russland nötigte, dorthin ebenfalls Deckungs-Kräfte
zu disloziieren.
Was einer der Hauptgründe des russischen Scheiterns war.
Das hat Russland Österreich nie verziehen und war
einer der Hauptauslöser für den Ersten Weltkrieg.
Wie Lörzer (der damalige Herausgeber der mir vorliegenden
Quelle) auf die schier unverfrorene Behauptung kommt,
der Krieg von 1877 sei ja völlig richtig gesehen worden,
erschliesst sich mir nicht.
Offenbar rechnet er mit der Dummheit seiner Leser.
Sodann folgt noch *hehe*:
=>
- Frieden in Deutschland
- reichliche Ernten
- milde Frühlinge
- keine Nachtfröste
- kein Ungeziefer an den Blüten
- Tagelöhner verdienen schönes Geld
- Felder werden mit dem Dampfpflug beackert
- Rohheit nimmt ab
- Wirtshäuser ohne wüste Lieder
- weniger Prozesse
- Ärmere können nun heiraten
- Segen dem Familienleben
=>
Billigschwadronade pur!
So dass ich davon ausgehe,
Teil II sei erst später mal
- und nicht vor 1865 -
zu "Veltens" Schauungen dazufabuliert worden.
Falls sich der Autor nicht überhaupt nur dessen
bekannten Scharfrichter-Namens bedient hat,
um gegen 1866 teils echte Schauungen zu Papier
zu bringen.
"Velten" war zu diesem Zeitpunkt
ja bereits lange tot und konnte sich nicht mehr wehren.
3)
Im übrigen halte ich die Schilderung der "Kälte"
durchaus für nicht unwichtig.
Sonst läge darüber doch keine Schau im Zusammenhang
mit dem Gesamtgeschehen vor.
Für sehr gut möglich erachte ich, es handele sich
dabei um den barbarischen Winter, der auf den "Kältesommer" folgt.
Gruss,
BB
―
- es ist gemein, Blinden Stummfilme zu zeigen
- eine schöne Theorie sollte man sich mit Forschung nicht kaputt machen
- Irlmaier: "Ein Mann erzählt das, was er irgendwo mal gelesen hat."