@ Fernfahrer (Schauungen & Prophezeiungen)

Ulrich ⌂, München-Pasing, Sonntag, 28.02.2016, 21:26 (vor 3224 Tagen) @ Fernfahrer (6957 Aufrufe)

Hallo Fernfahrer,

Mal angenommen, das ist richtig, wo sind die "echten" Hopi-Prophezeiungen? Halten die "echten" Hopi-Ältesten sie nach wie vor zurück? Und haben sie vor, sie eines Tages zu veröffentlichen oder sind die Prophezeiungen nur für die Hopis selber gedacht und nicht für den Rest der Welt?

Du kannst prüfen, ob die Befunde, die A.W. Geertz zusammengetragen hat, glaubwürdig sind. Ich halte Geertz Schlussfolgerungen angesichts der Fakten für zwingend.

Bereits der Klappentext seines Buches fasst zusammen, was Geertz ausführlich belegt:
"Carefully documenting the historical role of prophecy in Hopi Indian religion, Geertz shows how the Hopi Traditionalist Movement, in response to non-Indian audiences and interest groups, has changed old prophecies and created new ones about the end of the world. He further shows how these audiences and interest groups have used Traditionalist prophecies for their own purposes."

Pauschalisierend und grob vereinfachend sehe ich eine deutliche Ähnlichkeit mit dem Milieu, in dem die Mehrheit der abendländischen Endzeit-Prophezeiung entstanden ist:

Innerhalb der christlichen Kirche erwarten Anhänger des Milleniarismus den Anbruch des 1000jährigen Reiches, das angeblich nach der Wiederkunft Jesu beginnen wird. Folgerichtig interpretieren sie seit Jahrhunderten jedes ihnen geeignet erscheinende Scharmützel, jede geeignet erscheinende geopolitische Verwerfung als Auftakt zum dem diesem Friedensreich angeblich vorausgehenden Armageddon.

Auch innerhalb der Hopi-Gruppierungen war es (ausschließlich?) die Traditionalisten-Bewegung (zu der sich Dan Katchongva bekannte), aus deren Reihen die "Prophezeiungen" stammen, wenn sie auch einem anderen Zweck zu dienen scheinen: Der Don-Quijote-Anstrich, der diesen Gruppen auch innerhalb der Hopi-Gemeinschaften anhaftet, tritt angesichts einer Durchhalte-Parole, die aus der angeblich uralten Prophezeiung vom "Untergang des Weißen Mannes" resultiert, in den Hintergrund, die "Prophezeiungen" sollen Zuversicht vermitteln: "Die Büffel kommen wieder und die Erde wird neu." ( http://www.amazon.de/B%C3%BCffel-M%C3%A4rchen-Legenden-nordamerikanischen-Indianer/dp/3424012106 )
Es scheint für Angehörige anderer Kulturen schwer verständlich zu sein, das es in der Tradition der Hopi-Prophezeiungen, ganz anders als in der christlichen Tradition, die sich in ihrer Interpretation auf die schriftliche Niederlegung der Apolkalypse des Johannes beruft, NICHT als Fälschung oder Betrug gilt, wenn für Wert befundene aktuell eintretende Ereignisse dieser Prophezeiungs-Überlieferung einverleibt werden, ALS OB sie schon immer deren Bestandteil gewesen wären. Insofern ist sie m. E. eher "teleologisch (auf ein Ziel hin) interpretierende Geschichtschreibung" als "Prophezeiung" im abendländischen Sinn.

Mir fällt in diesem Zusammenhang das Buch "Kasskara und die sieben Welten" ein, das mich früher sehr fasziniert hat (hatte es aber schon lange nicht mehr in der Hand). Dies entstand ja (angeblich) aus der Zusammenarbeit von J.F.Blumrich und dem Hopi "Weißer Bär". ...
Kennst Du das Buch? Wenn ja, was hältst Du davon? Hat Carpenter sich zufällig darüber geäußert?

Die Seite http://www.newagefraud.org und das zugehörige Forum http://www.newagefraud.org/smf/ wird von einer Native-Indian-Organisation administriert und schreibt über "White Bear":
"The primary informant on Hopi beliefs consulted by Frank Waters was Oswald "White Bear" Fredericks. Oswald was married to a white woman, had been converted to Christianity, and was not a fully initiated Hopi Indian. Thus, as one might expect, many of the traditions reported in this book are inaccurate. See: McLeod, Roxie. Dreams and rumors: a history of "Book of the Hopi". Thesis (M.A.)--Univ. of Colorado, 1994. Pp. 330. MLA. For a more accurate version of Hopi beliefs, try "The Fourth World of the Hopis" by Harold Courlander." http://www.newagefraud.org/smf/index.php?topic=2616.msg22427#msg22427
(die Hervorhebungen im Text sind von mir)

Diesem Urteil, mit dem er auch bei Amazon Waters Buch "Book of the Hopi" kommentierte, widerspricht dort allerdings Craig Stuart: http://www.amazon.com/review/R1VK4TV2S8K8OX
… was aber wiederum nicht verwundert, wenn man weiß, daß Craig Stuart aus dem Hopi-Tourismus seinen Lebensunterhalt bestreitet: http://www.frankwaters.org

Wie man sieht, dieser Klüngel ist ähnlich schwer zu durchschauen wie z.B. das Irlmaier-Adlmaier-Bekh-Geflecht.

Wie phantasievoll Joseph Blumrich mit Fakten umgeht, hat er bereits in seinem Buch "Da tat sich der Himmel auf. Die Begegnung des Propheten Ezechiel mit außerirdischer Intelligenz." bewiesen, da bleibt kein Auge trocken:
http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/42762354

Um den gesellschaftlichen, politischen und "kulturellen" (gibt es sowas in den USA ?) Kontext zu verstehen, in dem die Vereinnahmung und Instrumentalisierung angeblicher Hopi-Prophezeiungen durch christliche ultra-konservative Endzeit-Sektierer einerseits und bekiffte "New-Age"-Pseudo-Esoteriker andererseits stattfand ist auch lesenswert:
Philip Jenkins: "Dream Catchers: How Mainstream America Discovered Native Spirituality."
http://gen.lib.rus.ec/book/index.php?md5=A658B381F5E8097968D51EC90915E0A5

Gruß
Ulrich


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