Hallo Baldur!
Während unsere Scharfköpfe noch dabei waren, der klerikalen Piñata das letzte Staubkorn an Lüge aus dem modernden Lumpensack zu prügeln, warst Du schon hinterm Horizont, und die Tittsiegel im letzten Büchsenlicht zeugten fahl von Resignation eines Gehörnten.
Nachdem der Bast bei mir verschimmelt war, brauchte ich nur einen Tagesritt um auch die Kante der Welt zu erreichen.
Gaukler und Blender, Zeitdiebe, Seelenschaukler und Marketender habe ich in den Staub getreten und selbst darauf geregnet.
Ohne das seltene Glück, hie und da doch noch Kunde von kleinen Wundern zu vernehmen, wähnte ich mich wohl als Irrer in einer Welt von vermeintlich Gescheiten.
Eben Deine, etwa alle neun Monate verfaßten Anekdoten, waren mir stets eine Sternschnuppe sehnsuchtsvoller Faszination am neongrauen Nachhimmel der bestesten aller Zeiten.
Ich selbst fühle mich wie im Schleudergang der Wa(s)chmaschine. Alles dreht sich und schäumt, während ich versuche zu begreifen, was alles verloren ist, und wer nicht mehr da.
Es ist ein anstrengendes Karussell, es geht kopfüber und landunter um ein Zentrum das sich Vertigo-go-go nennt. Es ist kraftfressend und lebensfeindlich, auszehrend, abrasiv und vor allem dumm.
Tod, Haß und Terror heißen seine Engel, Institutionen brennen mit glühenden Riesenrädern die Schande in Mark und Herz. Nach der Geburtsurkunde folgt die Vergabe der Steuernummer.
Tapferkeit und bester Wille machen graue Haare, aber keinen offensichtlichen Fortschritt.
Alles was lieb ist, krankt davon, geht hinweg und scheidet ab. Kondolenz wird nicht gegeben, das Programm dreht durch.
An extraordinären Zuständen hat es mir in der letzten Dekade nicht gemangelt, doch kam kaum ein Gefühl mehr auf, das ein Leben hier lieblich rechtfertigt.
Ganz im Gegenteil. Der Terror totaler Ordnung tötet total. Mit Terror in totaler Ordnung wird das Pendel zurückschwingen, in einem entfesselten Fest der fassungslosen Sinne.
Mehr als Salz und Wasser kann ich zur Tränenproduktion nicht geben, meine Gefühle erschöpfen sich in Sorge und Trauer.
Um endlich zum Thema zu kommen: Ich hätte kein gutes Gefühl dabei, mir von jemand Zwielichtigem etwas über meine begrenzte Zukunft offenbaren zu lassen.
Mit all den Vorzügen die ich habe, wie vollständigen Gliedmaßen, einem einst intakten Elternhaus und dem besten Deutschland aller Zeiten, sehe ich das Verhältnis von Freude zu Leid bei 1:100.
Ich will diese Welt nicht mehr verstehen, nicht mehr heilen, ich will sie vernichten.
Sollte ich wieder zur Besinnung kommen, bin ich der Erste der beiträgt, doch wie soll man sich nur um die Toten kümmern, wenn die Lebenden kümmern?
Ich will die Welt in leuchtenden Farben sehen, fein komponiert, in hellem Schein.
Mit freundlichen Grüßen
Fenrizwolf