psychologisch plausibel (Freie Themen)

Ranma, Sonntag, 02.09.2018, 06:21 (vor 2087 Tagen) @ Taurec (2213 Aufrufe)

Hallo!

Damit setzt er Macht und Mißbrauch (nämlich den elterlichen als seine Grunderfahrung der Macht) schlicht für identisch und leitet daraus eine Gesetzmäßigkeit ab, die für alle Zeit für alle gelten soll.

Theoretisch ist mir klar, daß die meisten Eltern ihre Kinder lieben. Das scheint in den meisten Fällen so erfahren zu werden. Für mich bleibt das eine bloße Theorie.

Natürlich sind Macht und Mißbrauch nicht identisch. "Macht" von "machen" ist nur eine schärfere Form des "Vermögens", als der Fähigkeit etwas zu tun. Sie ist ebenso neutral wie "Gewalt" von "walten" (sinngemäß "wirken" und "handeln") seinem sprachlichen Ursprung nach neutral ist. Erst in unserer pazifistischen Spätzeit, in der offenbar kollektive Traumata infantil ausgelebt werden, sind diese Begriffe negativ besetzt.

Wer Macht besitzt, hat im hierarchischen Gefüge der Gemeinschaft die ethische Verpflichtung, die Macht zum Dienste an anderen und zum Gedeien der Gemeinschaft einzusetzen. Wer seine Möglichkeiten nicht in diesem Sinne einsetzt, mißbraucht seine Macht (z. B. zur persönlichen Bereicherung oder um eigene seelische Defizite zu kompensieren). Und das war's auch schon.
Die Gleichsetzung von Macht und Mißbrauch, daher die Ablehung der Autorität an sich, gleich ob sie sinnvoll oder nicht sinnvoll eingesetzt wird, kompensiert selbsterfahrenes Unrecht, indem das Ding an sich für verächtlich erklärt wird.


Ja, da ist etwas dran. Mich sollte eigentlich nicht die Macht selbst stören, sondern ausschließlich deren Mißbrauch. Einfache Lösung: Macht wegnehmen. Wer nämlich keine Macht hat, der kann die auch nicht mißbrauchen. Vielleicht ist meine Lösung zu einfach. Einfache Lösungen haben die Tendenz falsch zu sein.

In der Welt von Buck Rogers gefällt es Buck Rogers garnicht, daß alle wichtigen Entscheidungen von Computern getroffen werden. (Das eigentlich erst in der Fernsehversion, die kaum noch etwas mit dem Original zu tun hat, in dem nur Nordamerika von Asiaten übernommen worden war.) Mir erscheint so eine Welt deshalb als Utopie, weil Computer ihre Macht nicht zur persönlichen Bereicherung einsetzen oder dazu, eigene seelische Defizite zu kompensieren. Schon mangels einer eigenen Seele kann ein Computer das nicht. Zur Zeit als die Fernsehserie verfilmt wurde, schien es bereits nur noch eine lineare Fortentwicklung des bereits Vorhandenen zu sein, daß Computer irgendwann Entscheidungen treffen würden.

Sich unvorhersehbar zu verhalten ist eigentlich eine schlechte Definition von Künstlicher Intelligenz, der nicht alle folgen. Die Definition ist häufig zu finden in der Kritik daran, heutige Computerprogramme als Künstliche Intelligenzen zu bezeichnen. Eigentlich dient sie als negative Definition, weil sie nur besagen soll, daß keine Intelligenz vorliegen kann, wenn weiterhin alles so vorhersehbar ist wie beim Programm einer Waschmaschine. An einer Waschmaschine kann man ein Programm für Buntwäsche einstellen, eines für Kochwäsche und noch einige andere. Je nachdem, was man einstellt, spult die Waschmaschine dann das jeweilige Programm ab. Niemand kommt auf die Idee zu sagen, daß die Waschmaschine deshalb intelligent wäre. Sollte sie etwas anderes machen als man eingestellt hat, dann bezeichnet man sie trotzdem nicht als intelligent, sondern als kaputt. Das ist allgemein bei Maschinen so, die das machen sollen, für das sie konstruiert wurden. Eine Künstliche Intelligenz müßte über sich hinauswachsen und Dinge tun, die man ihr nicht einprogrammiert hat.

Ich versuche jetzt eine bessere Definition: Intelligenz ist die Fähigkeit, eigenständig neue Erkenntnisse zu gewinnen. Hier kommt es auf das Wort eigenständig an, was die Künstliche Intelligenz von einem Neuronalem Netz abgrenzt, das ein von außen festgelegtes Trainingsprogramm durchläuft.

Sinnvollerweise würde man eine Künstliche Intelligenz ans Weltnetz anbinden, wo sie dann jede Menge Informationen findet, die sie lernen und aus denen sie Schlußfolgerungen ziehen kann.

Wenn das Computerprogramm eines heutigen autonomen Automobils vor der Entscheidung steht, über einen Tattergreis oder über ein Kind zu fahren, dann kann das Computerprogramm das nicht selbst entscheiden, sondern wird nur das tun, was der Programmierer für diesen Fall vorgesehen hat. Eine Künstliche Intelligenz wird dagegen eine Schlußfolgerung aus allen ihr zuvor zugänglich gemachten Lehren der Moralphilosophen ziehen und daraus die für diesen Fall richtige Entscheidung ableiten. Je nachdem, wie gut man sich in der Moralphilosophie auskennt, kann man dann die Entscheidung der Künstlichen Intelligenz sehr wohl vorhersehen (indem sich solche Fragen stellt wie: „Was hätte Immanuel Kant in diesem Fall gemacht?“) oder halt nicht.

Dank der kürzeren Reaktionszeit eines Computers im Vergleich zu einem menschlichem Fahrer wird autofahren durch autonome Automobile auf jeden Fall sicherer. Unsere Herrscher versprechen uns hin und wieder ein Supergrundrecht auf Sicherheit. Obwohl das eine Lüge ist, weil dem Bürger eigentlich kein Schutz zukommen soll, dürfte das für einen Druck hin zu mehr Sicherheit auch im Straßenverkehr führen, weil die Lüge schließlich nicht auffliegen soll. Viele Wähler wünschen sich Sicherheit, also müssen in sicherheitsrelevanten Bereichen mehr Maschinen eingesetzt werden. Zivilfahrzeuge für kriminelle Handlungen einzusetzen wird daher in absehbarer Zeit unmöglich werden.

Die daraus in einem ebenfalls als Reaktion entwickelten Gerechtigkeitsbewußtsein abgeleitete Gerechtigkeit wird letzten Endes freilich zur Gleichheit, da sich niemand durch Machtfülle über andere erheben können darf.

Ja, das Mittel gegen Machtfülle ist Gleichheit. Du hast mich schonmal als links bezeichnet und das ist aus genau diesem Grund korrekt. Die Spezialdemokraten sind schon lange nicht mehr links und die neoliberalen Grünen sowieso nicht. Wenn jemand die als links bezeichnet, dann ist das Heuchelei und etwas ganz anderes als mich korrekt als links zu bezeichnen. Das nur, damit diese beiden Arten links nicht verwechselt werden. In der frühesten Unterscheidung bedeutete rechts zu sein, Royalist zu sein, also die Idee des Gottesgnadentums zu unterstützen. Fand man es dagegen absurd, daß Gott manche Menschen so weit über andere Menschen gestellt hätte, daß sich die Angehörigen der Elite sogar Dinge wie das Ius primae noctis herausnehmen dürften, dann war man politisch links. Nachdem es kaum noch Royalisten gibt und nacheinander andere politische Richtungen rechts im Parlament Platz nahmen, ist heute die Ansicht weit verbreitet, daß die Kategorien links und rechts obsolet wären. Sie sind zwar unvollständig, aber weiterhin bedeutet rechts elitär (ähnlich wie durch das Gottesgnadentum wurde später eine Unterscheidung durch die Zuordnung zu Herrenrasse oder Untermensch getroffen und fast schon zeitlos ist die Idee, daß die Besitzenden etwas Besseres als die Besitzlosen wären) und links egalitär zu sein.

Die Forderung nach Gleichheit oder egalité gibt es spätestens seit der Französischen Revolution. Damals bekamen die Leute zwar keine Gleichheit, aber man konnte sie damit locken. Schon die Einführung des Bürgerstandes mit dem Recht sich in den Schützengilden zu bewaffnen, anders als der rechtlose und daher unbewaffnete Sklave, war ein Schritt hin zu mehr Gleichheit. Schon seit Jahrhunderten lockt Menschen die Idee der Gleichheit. Es sind sehr viele Menschen, denen Gleichheit als etwas Erstrebenswertes gilt. Sollten die alle Erfahrungen mit Macht, die in den falschen Händen lag, gemacht haben? In dem Fall bedarf das Problem, nicht der Macht, sondern des Mißbrauchs dringend der Abhilfe!

Da Menschen per se unterschiedlich, manche zur Macht geeignet oder ungeeignet sind, resultiert daraus zwingend nicht Gerechtigkeit, sondern Ungerechtigkeit. Am Ende wird niemand so behandelt, wie er verdient, weil der Vertreter (bzw. Durchsetzer) solcher Positionen selbst nicht so behandelt wurde, wie er meint, daß er es verdient hätte.

Ein erster Ansatz zu der Erkenntnis, warum die meisten Menschen politisch nicht links zu finden sind. Schon in dieser Erklärung wird ein Unterschied gemacht zwischen dem, wie jemand behandelt zu werden verdient, und dem, wie jemand meint, daß er behandelt zu werden verdient hätte. Dazu hätte ich gerne noch ein paar Erläuterungen.

Von neoliberaler Seite aus will man, daß Menschen nur das bekommen, was sie sich durch Arbeitseinkommen leisten können, aber zugleich auch, daß Arbeitsplätze nur mit den Besten auf ihrem jeweiligem Gebiet besetzt werden. Ich wundere mich, was mit den Zweitbesten und mit den Drittbesten geschehen soll? Wer legt überhaupt die Kriterien dafür fest, was das Beste in einem Fach ist?

Klar verteilte Rollen mit festgelegten Rechten und Pflichten funktionieren in einer Familie. Vielleicht ist das sogar das beste Modell für eine Familie. Aber in je größeren Organisationen man Menschen zusammenfaßt, desto anonymer wird der einzelne Mensch darin und es ist keine triviale Aufgabe mehr, festzustellen dieser verdient das und jener verdient jenes. Je größer die Organisation ist, desto sinnvoller wird es, die Menschen gleich zu behandeln.

@Luzifer: Die Folge einer Rebellion ist üblicherweise keine neue Machtstruktur, sondern die Niederschlagung der Rebellion. Das ist der wahre Grund dafür, warum ich nicht zu Rebellionen rate. Nicht etwa, weil ich so gründlich indoktriniert worden bin. Schon vorhandene Tendenzen abzuwarten erscheint mir sinnvoller. Die Zustände werden sich so oder so zyklisch verhalten. Das Eingreifen des Menschen kann nur das bewirken, was schon immer für die jeweilige Zeit vorgesehen war.

Gruß

Ranma


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