Hallo!
Gann hat sich bezüglich Wudys einigermaßen hineingekniet, konnte aber nichts finden außer einer Person, die als Kind/Jugendlicher Wudy noch persönlich kennen gelernt haben will. Die entsprechende Passage aus Ganns Buch (S. 255–258):
Seine Voraussagen wurden erstmals veröffentlicht von dem Heimatschriftsteller Paul Friedl aus Zwiesel in Niederbayern, der nur spärliche Informationen über die Herkunft der Prophetie mitliefert (Friedl 1974, S. 77 ff). Bei einem Gespräch mit ihm am 8. 5. 1982 in Zwiesel und in einem ergänzenden Telefonat konnte ich dazu folgendes erheben.
Friedl behauptet, den Prophezeiungstext von dem Böhmerwalddichter Hans Watzlik (1879–1948; Lyriker und Romanautor; neben anderen Auszeichnungen tschechoslowakischer Staatspreis 1931) erhalten zu haben. Im September oder Oktober 1944 sei es gewesen, als er den Dichter, mit dem er gut bekannt gewesen sei, in dessen Heimatort Neuern im Böhmerwald aufgesucht habe. Im Verlauf ihrer Unterhaltung, unter anderem über den seinem Ende zugehenden Weltkrieg, sei dieser plötzlich auf die Weissagung zu sprechen gekommen. Er habe ein Exemplar der im Böhmerwald recht beliebten, in Buchform gebundenen Kalender der Winterherger Druckerei Steinbrener (»Volkskalender«, »Feuerwehrkalender« und ähnliche Bezeichnungen) hervorgeholt, worin entweder direkt auf Notizseiten des Kalenders oder auf lose eingelegten Blättern die Prophetie handschriftlich aufgezeichnet gewesen sei. In einer alten deutschen Handschrift, die aber nicht die Handschrift Watzliks gewesen sei. Hier habe er die Prophezeiung eines Bauernknechts namens Sepp Wudy aus dem Frischwinkel, habe Watzlik erklärt. Der Seher lebe nicht mehr, er sei im Ersten Weltkrieg bei der Marmolata (3342 m hoher Berg in den italienischen Dolomiten) gefallen. Weitere Einzelheiten über die Herkunft des Textes sind Friedl nicht mehr erinnerlich. Als Verfasser desselben kommt am ehesten der Bauer in Frage, bei dem Wudy beschäftigt war. Das wird jedenfalls durch eine Passage am Schluß der Weissagung nahe gelegt, in welcher der Seher seinen Arbeitgeber direkt anspricht (»Bauer sag es deinen Kindern…« ). Watzlik habe dazu noch bemerkt, er habe die Absicht, den Fall Wudy dereinst einmal dichterisch zu verarbeiten. »Das ist eine Figur, die ich noch lebendig mache«, habe er gesagt. Friedl notierte sich daraufhin an Ort und Stelle den Text und tippte ihn später mit der Schreibmaschine ab. Seine ursprüngliche, handschriftliche Abschrift ist inzwischen verloren gegangen. Interessant ist eine Beobachtung von ihm, die er Jahre später in einem Wirtshaus in Zwiesel gemacht hat, wo er angeblich einige Leute über die Prophezeiung des Sepp Wudy hat reden hören – und zwar noch bevor er sie in seinem Buch publiziert hat. Daraus habe er geschlossen, die Weissagung sei unter den Böhmerwäldlern so bekannt wie der blinde Jüngling von Böhmen. Seine damalige Begegnung mit Watzlik war übrigens ihr letztes Zusammentreffen. Bei ihren früheren Kontakten, zuletzt etwa ein halbes Jahr vorher, hatte der Dichter die Prophezeiung noch nicht erwähnt.
Ich habe in diesen Fall umfangreiche Nachforschungen investiert, die mit einer Ausnahme völlig ergebnislos geblieben sind. Es seien nur die wichtigsten Aktionen kurz mitgeteilt.
Hans Watzlik wurde im Zuge der antideutschen Ausschreitungen in der Tschechoslowakei 1945 von den Tschechen zunächst dreizehn Monate inhaftiert und lebte danach bis zu seinem Tod im Gut Tremmelhausen bei Regensburg. Seine schriftliche Hinterlassenschaft befindet sich heute im Besitz seiner Schwiegertochter Trude Watzlik. Sie versicherte mir, bei der Durchsicht dieses Schriftmaterials keinerlei Hinweise auf die Prophezeiung des Sepp Wudy entdeckt zu haben. Auch habe sie bei Freunden des Dichters herumgefragt, doch wisse niemand etwas über die Sache (Brief 30. 9. 1982).
Ein enges Verhältnis zu Hans Watzlik hatte in dessen letzten beiden Lebensjahren nach eigenem Bekunden der damalige Verwalter des Gutes Tremmelhausen, Friedrich Z. Ihm, der viele Stunden des Gesprächs mit Watzlik und dessen Frau Lina, die nach des Dichters Tod noch weitere zehn Jahre in Tremmelhausen lebte, verbracht hat, ist keine die Weissagung betreffende Äußerung der beiden in Erinnerung. Er hatte auch Einblick in das damalige dichterische Schaffen Watzliks und in seine schriftstellerischen Zukunftspläne. Doch ist ihm nicht erinnerlich, daß darin einmal die Gestalt des Sehers vorgekommen wäre (Brief 14. 7. 1982).
Da unser Visionär im Ersten Weltkrieg gefallen sein soll, wandte ich mich an das Österreichische Kriegsarchiv in Wien, wo noch die ganzen Unterlagen über Gefallene, Vermißte usw. der österreichisch-ungarischen Streitkräfte des Ersten Weltkriegs aufbewahrt werden. Ein gefallener oder vermißter Josef Wudy, mit dem der Seher identisch sein könnte, ist darin nicht verzeichnet (Briefe 16. 1. 1981, 17. 8. 1981). Für den Fall, daß der Prophet aus dem niederbayerischen Raum stammte und im böhmischen Frischwinkel lediglich als Gastarbeiter tätig war, richtete ich eine entsprechende Anfrage auch an das bayerische Kriegsarchiv in München, wo gleichfalls kein in den Dolomiten gefallener Josef Wudy aufscheint (Brief 22. 12. 1981).
Der Frischwinkel ist ein Talkessel in der Gemeinde Eisenstrass, Bezirk Neuern (tschechisch: Nyrsko) im Böhmerwald, CSSR, zirka 160 km nordöstlich von München gelegen. Dort lebten bis 1945 etwa ein knappes Dutzend Familien, darunter vier große und einige kleinere Bauern. Nachkommen dieser vier Großbauern (bei denen der Seher noch am ehesten beschäftigt gewesen sein könnte), die heute in Bayern verstreut leben, gelang es mir nach und nach aufzufinden. Niemand jedoch weiß etwas über den Visionär.
Die einzige Paul Friedl bestätigende Aussage erhielt ich von einem Herrn Leopold D. (geb. 1908) aus Flanitz bei Zwiesel, auf den ich von dem Zwieseler Heimatpfleger Dr. R. Haller aufmerksam gemacht wurde. Herr D. stammt aus der Gemeinde Eisenstrass und hatte im Frischwinkel einen Onkel. Seinen Angaben zufolge verdingte er sich zur Zeit des Ersten Weltkriegs in den Sommerferien beim Frischbauern, einem der vier Großbauern des Frischwinkel, als Hüterbub und lernte dabei den Seher persönlich kennen. Dieser sei zum Frischhof in irgendeiner Weise verwandt gewesen und habe bei einer Familie Wudy im Frischwinkel gewohnt. Er habe nicht wirklich Wudy geheißen, vielmehr sei dies nur sein Hausname gewesen. Seinen richtigen Namen wußte Herr D. nicht zu sagen. Er sei damals etwa 40–50 Jahre alt gewesen, ein großer, schwerer Mann, der von seiner Umgebung als Außenseiter behandelt worden sei. Auf meine Frage, warum er glaube, daß es sich bei dem Mann um den Propheten gehandelt hat, meinte Herr D.: »Weil er sich, wie man früher gesagt hat, nur mit Phantasie beschäftigt hat.« Man hat ihn also für einen Spinner gehalten, was natürlich kein ausreichendes Kennzeichen für eine seherischen Begabung ist (Gespräch 9. 7. 1982). Verschiedene Angaben Herrn D.s über verwandtschaftliche Beziehungen um den Frischhof, denen ich anschließend noch nachging, stellten sich als falsch heraus. Auch konnte ich noch eine Nachfahre der Frischwinkler Familie Wudy ausfindig machen, welche aber weder über den Seher noch über den von Herrn D. beschriebenen Mann etwas weiß (Brief 7. 10. 1982).
Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß nach wie vor im wesentlichen lediglich die Behauptungen Paul Friedls im Raum stehen. Behauptungen, die durch meine Recherchen weder bestätigt noch widerlegt werden konnten. Widerlegt deswegen nicht, weil bei der Verzwicktheit des Falles noch so intensive Nachforschungen selbst im Echtheitsfall nicht unbedingt Erfolg hätten zeitigen müssen. Man denke nur an den Umstand der Vertreibung der gesamten ortsansässigen Bevölkerung, an die chaotischen Verhältnisse bei der Aussiedlung Hans Watzliks, bei der Unterlagen verloren gegangen sein dürften, an die Möglichkeit, daß der überlieferte Name des Sehers tatsächlich nur sein Hausname gewesen ist und er daher unter diesem in keinem Kriegsarchiv aufscheinen kann, usw. Subjektiv halte ich die Mitteilungen Friedls für glaubwürdig, d. h. es besteht kaum ein Zweifel daran, daß er wirklich überzeugt ist, unter den von ihm beschriebenen Umständen zu der Prophezeiung gekommen zu sein. Objektiv läßt sich gegenwärtig nichts mehr beweisen.
Friedls Mitteilungen hält er insofern für glaubwürdig, als Friedl von deren Authentizität wohl selbst überzeugt war. Über die tatsächliche Echtheit läßt sich indes allein dadurch nichts aussagen. Friedl mag als Heimatschriftsteller, der Sagen und Legenden erzählen wollte, unkritisch gewesen sein.
Watzliks Anekdote in den Böhmerwald-Sagen von 1921 scheint darauf hinzudeuten, daß die Figur Wudys bereits damals eine Sagengestalt war, der man allerlei "Magisches" andichtete, eine Figur ähnlich dem Mühlhiasl, Stormberger, Gilge oder diversen Spoekenkiekern aus dem norddeutschen Raum. Das würde aber bedeuten, daß dem im Kern eine Sage zugrundeliegt, die bereits 1921 älter war, also kaum einen Lebenden oder jüngst Verstorbenen beschreibt.
Ich erinnere, daß es auch zu Mühlhiasl Einheimische gab, die behaupteten, daß ihre Großeltern als Kind den Seher noch persönlich gekannt hätten, obwohl es sich nachweislich um eine erfundene Figur handelt. Ähnlich könnte es sich bei dem Hüterbuben D. verhalten, der als Junge Wudy noch persönlich gekannt haben will – oder einen seltsamen Typen, den man mit einem legendären "Wudy" irgendwie gleichsetzte oder der flottierende Wudyprophezeiungen weitererzählte? Ein "Hausname" Wudy. Wäre es möglich, daß die Prophezeiungen sich eigentlich an eine ältere Figur hefteten, die den selben Hausnamen "Wudy" trug?
Weiss jemand, welchen Weg Gann beruflich beschritt?
Er soll ja ein Institut für angewandte Parapsychologie in Salzburg gegründet haben, im Netz habe ich dazu aber nichts gefunden.
Über Ganns beruflichen Werdegang ist mir leider kaum etwas bekannt. Auf der Impressumsseite seine Buches steht:
Der Verfasser, geb. 1954 in Salzburg, studierte – ohne formellen Abschluß – in Innsbruck Philosophie, Psychologie und Geschichte und ist Leiter des von ihm gegründeten Instituts für angewandte Parapsychologie in Salzburg.
Gerhard hat 2010 durch Kontakt mit Ganns Bruder und Mutter herausgefunden, daß Gann bereits 2003 (mit nicht mal 50 Jahren) verstarb.
In seinem eigenen Buch führte er in der Einleitung sein Rückenleiden aus, das ihn offenbar bei der Arbeit massiv behinderte (S. 11–13):
Vor dem Hintergrund solcher Aussagen gibt mir nun der Umstand zu denken, daß ich selbst, seit dem Beginn meiner Beschäftigung mit Prophezeiungen, von einer gesundheitlichen Krise in die andere stürze. Erstmals Ende 1979 mit Weissagungsliteratur in Kontakt gekommen – die mich in der Folge zu der vorliegenden Untersuchung veranlaßte – war ich bis dahin, in den 25 Jahren meines Lebens zuvor, niemals länger als zwei bis drei Wochen an den üblichen Krankheiten wie Grippe usw. erkrankt. Seitdem bin ich dagegen bis heute (April 1986) summa summarum rund zwei Jahre lang durch gesundheitliche Gebrechen ausgeschaltet gewesen. Das begann Mitte Dezember 1979 mit einer chronischen, durch kein medizinisches Mittel zu bekämpfenden Bronchitis und Halsentzündung, die mich geistig enige Monate soweit außer Gefecht setzte, daß ich kaum einen klaren Gedanken zu fassen imstande war. Nur ganz allmählich vermochte ich mich daraus wieder hochzurappeln. Im Oktober 1981 zog ich mir beim Tragen eines Zementsackes eine Bandscheibenquetschung zu, die ich in der Folge leider nicht auskurierte (was nur durch längere Schonung der Wirbelsäule möglich gewesen wäre), sondern die aufgrund von Unvorsichtigkeiten beim Heben usw. in Abständen von Wochen bis Monaten ständig erneuert wurde (verschieden starke, nach einigen Tagen abklingende Schmerzen in der Wirbelsäule). Das ging einigermaßen gut bis zum November 1983 – ein halbes Jahr zuvor hatte ich an diesem Buch zu schreiben begonnen –, als nach einer ganzen Serie derartiger, in immer kürzeren Abständen auftretender Rückschläge die Schmerzen nicht mehr auf eine bestimmte Stelle der Brustwirbelsäule beschränkt blieben, sondern sich auf die äußere Beinhaut der gesamten Brustwirbelsäule sowie der rückwärtigen Rippen und zum Teil sogar der Schulterblätter ausdehnten: Ich hatte mir eine ungemein chronische Beinhautentzündung praktisch des gesamten Rückens zugezogen. Es war mir von da an nicht mehr möglich, auch nur eine halbe Stunde aufrecht zu sitzen oder einen Gegenstand vom Gewicht einer leeren Tasse risikolos aufzuheben. An eine Fortführung meiner Arbeit war vorderhand nicht mehr zu denken. Acht Monate, vom November 1983 bis zum August 1984, davon monatelange Bettruhe, sollte es nun dauern, bis ich wieder imstande war, regelmäßig eine Schreibmaschine zu bedienen. Im August 1984 nahm ich meine Tätigkeit langsam wieder auf, wobei ich zunächst pro Tag nicht mehr als nur wenige Zeilen zu tippen imstande war. Das steigerte sich dann zwar allmählich, doch mußten – infolge zu starker physischer Belastung der an der entzündeten Beinhaut des Rückens ansetzenden Rücken- und Schultermuskulatur – immer wieder tage-, wochen-, ja monatelange Arbeitsunterbrechungen hingenommen werden. Alles in allem bin ich somit auch nach der Wiederaufnahme meiner Schreibtätigkeit im August 1984 bis heute im Durchschnitt kaum zu 50 Prozent arbeitsfähig gewesen. Für eine endgültige Auskurierung dieses Leidens wird jetzt wohl schon – wegen der enormen Chronizität – mindestens ein Jahr weitgehender Arbeitsruhe notwendig sein. Dieses Buch ist also wahrhaft unter Schmerzen geboren worden, und ich möchte wissen, wie oft in der neueren Geschichte eine einigermaßen bedeutende wissenschaftliche Arbeit unter solchen Bedingungen zustande gekommen ist: unter dem Druck eines permanenten Kampfes um gesundheitlichen Spielraum.
Wie wahrscheinlich ist es, daß diese Gesundheitseinbrüche, obwohl auf den ersten Blick stets natürlichen Ursprungs, in letzter Instanz doch keine natürlichen Ursachen haben? Oder anders gefragt: Wie wahrscheinlich ist es, daß ein Mann in den besten Jahren seines Lebens sozusagen zufällig von solchem jahrelangen Siechtum getroffen wird? Wie wahrscheinlich ist es, daß der bisher einzige Mensch, der die Frage der paranormalen Prognostizierbarkeit von Katastrophen systematisch – und, wie ich glaube, erfolgreich – untersucht hat, rein zufällig von solchen Imponderabilien heimgesucht wird, die zufällig ziemlich genau mit dem Beginn seiner Prophezeiungs-Beschäftigung anheben und zufällig stets auf seine Arbeitsfähigkeit zielen (warum habe ich mir nicht eine Beinverletzung zugezogen, die mich bei meiner Schreibtischarbeit kaum behindert hätte?), von welcher Arbeitsfähigkeit letzten Endes möglicherweise das Leben von Millionen Menschen abhängt? Ich kann das Thema hier nicht in allen seinen Aspekten ausdiskutieren, möchte aber feststellen, daß mir eine Erklärung, wie sie in dem obigen Korkowskischen Zitat anklingt, überzeugender erscheint als die Zufallshypothese. D. h. ich neige der Auffassung zu, ein Opfer jenseitiger bösartiger Wesen geworden zu sein, welche die Menschheit schädigen wollen, aus welchen Motiven auch immer. Und die daher die Entwicklung der Paraprognostik gerade in ihrer schwierigen Anfangsphase, wo sie nur konnten, zu behindern suchten. Nachdem sie mich offenbar nicht umzubringen vermochten (nach Korkowski gibt es auch jenseitige Schutzkräfte), machten sie mich wenigstens zu einem – zumindest temporären – Krüppel. Das ist eine Interpretation, die sicher von vielen »aufgeklärten « Zeitgenossen als purer Aberglaube abgetan werden wird, doch halte ich es für meine Pflicht, auf diese Problematik hinzuweisen, damit bei der künftigen Organisation der Paraprognostik von vornherein auf die Gesundheit der Paraprognostiker wie auch der Seher entsprechendes Augenmerk gelegt werden kann.
Ob seine damaligen Gesundheitsprobleme langfristig zu seinem Tode beigetragen haben, ist mir nicht bekannt. Zumindest damals dürfte er gesundheitsbedingt keinem Beruf nachgegangen sein, da ihm sowohl körperliche als auch geistige Arbeit kaum möglich war. Das von ihm gegründete Institut dürfte eine private Einmannsache gewesen zu sein. Mir ist nicht bekannt, daß er neben seinem im Privatverlag herausgegebenen Buche in irgendeiner Weise hervorgetreten wäre (womöglich bedingt durch seine angeschlagene Gesundheit?).
Seine Haltung zu seinem Leiden zeigt, daß wie so oft Genie und Wahnsinn eng beieinander liegen. Er transzendiert es, um ihm und sich selbst über die scheinbare Zufälligkeit des Schicksals hinaus höhere, allgemeine Bedeutung zu verleihen. Höhere Mächte würden ihn behindern wollen, weil von seiner Arbeit das Schicksal von Millionen abhinge. Offenbar überschätzte er die Relevanz und Ergiebigkeit des Themas Prophezeiungen und Paragnostik fundamental und war zumindest Ansatzweise von leicht größenwahnsinnigem Sendungsbewußtsein umfächelt.
Nichtsdestoweniger scheint das auf sein wissenschaftliches Modell und seine Arbeit keinen Einfluß gehabt zu haben. Seine Recherchen und Urteile wirken methodisch einwandfrei und in sich schlüßig. So kam er beispielsweise schon damals zu einer Einschätzung Irlmaiers, die erst rund 30 Jahre später in diesem Forum wieder erreicht wurde, während alle anderen noch blind an einen Mann glauben, "der sagt, was er sieht".
Der Fall Irlmaier ist vom paraprognostischen Standpunkt aus durch zwei widerstreitende Momente gekennzeichnet. Erstens durch eine nicht zu übersehende Datenunsicherheit und -unvollständigkeit und zweitens durch das Vorhandensein von Indizien, welche darauf hindeuten, daß paraprognostisch doch vieles aus ihm herauszuholen gewesen wäre.
Die Datenmängel betreffen sowohl die Kriegsprophezeiung selbst als auch, in noch stärkerem Ausmaß, die Hintergrundinformationen, welche einer Beurteilung ihrer prognostischen Tragfähigkeit zugrundezulegen wären. Was die Prophetie anlangt, so mußten wir feststellen, daß sie selbst in der am zuverlässigsten scheinenden Fassung, der Adlmaierschen, unvollständig und zum Teil unkritisch überliefert worden ist. Ihre unkritische Protokollierung hat zur Folge, daß in Irlmaiers Visionsbeschreibungen sehr wahrscheinlich auch seine Interpretationen sowie Aussagen anderer Seher hineinverwoben sind. Diese Schwäche allein dürfte eine hundertprozentige Erfüllung der Prophetie auch dann verhindern, wenn ihr ansonsten ausschließlich präkognitive Gesichte zugrundeliegen.
Inwieweit letzteres der Fall ist, läßt sich anband der spärlichen Anhaltspunkte nur schwer abschätzen. Faßt man alle Faktoren zusammen, so kann man daraus immerhin eine gewisse, wenn auch nicht allzu hohe Präkognitionswahrscheinlichkeit ableiten. Wobei als stärkstes Präkognitionsindiz seine offenbar vorhandene ASW-Sensitivität zu Buche schlägt. Wie wahrscheinlich ist es, so muß man sich fragen, daß die Kriegs- und Katastrophenvisionen eines dermaßen begabten Sensitiven lediglich von seiner unbewußten Phantasie produziert worden sind? Hinzu kommen Indizien der Übereinstimmung von Irlmaier-Aussagen mit solchen sowohl älterer als auch nach ihm aufgetretener Seher, auf welche hier nicht eingegangen werden konnte, die aber verschiedenen Passagen der Irlmaier-Prophetie zusätzliches Gewicht verleihen. Eine quantitative Schätzung der Präkognitionswahrscheinlichkeit wollen wir angesichts der unsicheren Datenlage nicht versuchen. Wann jene Geschehnisse eintreten sollen, ist dem überlieferten Irlmaier-Material ebensowenig entnehmbar wie Anhaltspunkte über die Interventionsaussichten.
Wie gesagt, vermittelt der Fall Irlmaier ungeachtet dieser dürftigen konkreten Ergebnisse den Eindruck, daß er vom eigentlichen Phänomen her sehr wohl für die Gewinnung überzeugender Kriegs- und Katastrophenprognosen gut gewesen wäre. Eine seltene paraprognostische Gelegenheit war hier allem Anschein nach gegeben, welche jedoch vom Seher selbst und vor allem von der mitteleuropäischen wissenschaftlichen Gemeinschaft auf überaus leichtsinnige und verantwortungslose Weise verschleudert worden ist. (S. 235f.)
Gruß
Taurec
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„Es lebe unser heiliges Deutschland!“
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„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“