Hallo, Leonessa!
Volle Zustimmung. Zu allem.
Meine starke Vermutung: Der Schreinermeister und einfache Soldat Rill hat den Begriff "Ungeheuer" nicht selber erfunden - sondern "Ungeheuer" hat sich sinngemäß oder vielleicht sogar wortwörtlich in seinem Hirn festgesetzt - als Erinnerungsfetzen aus den Gesprächen mit dem Elsässer, deren Zeuge er war und die ihn, darüber dürfte kein Zweifel bestehen, emotional und geistig sehr stark beschäftigten, sprich: das Gehörte ließ ihn nicht mehr so schnell los und war geeignet, sein Innerstes durcheinanderzubringen.
Dass er - zumindest in zwei Feldpostbriefen an seine Familie - dem Gehörten so viel Raum gab, dürfte auch Ergebnis dessen gewesen sein, dass er all das Gehörte für sich geistig verarbeiten, ordnen, quasi Form geben und aufbewahren musste.
Also: Eine philologische, wortwörtliche Exegese macht in diesem Fall sicher keinen Sinn. Rill war kein Mann der Sprache. Und er dürfte von dem Gehörten geistig aufgerüttelt und gleichzeitig ein bisschen durcheinandergerüttelt gewesen sein. Aber: Das, was wir immer noch gemeinhin als "Ungeheuer" (Substantiv) oder "ungeheuer" (Adjektiv) verstehen, das dürfte als Botschaft (sinngemäß oder wortwörtlich) an Rills Ohr gedrungen sein. Und das hat er - verknappt, wie Du zu Recht schreibst - wiedergegeben. Dass Rill eigenständig einen Bedeutungsgehalt wie "Ungeheuer", also Gehörtes falsch interpretierend, sich erfunden hätte, ist m. E. ziemlich unwahrscheinlich.
Und nun nimm den anderen Teil des Teilsatzes: "es liegt alles am Boden..." - Auch da glaube ich nicht an eine Erfindung / Falschauslegung in der sinngemäßen Wiedergabe des Gehörten. Denn das ist auch für einen "einfachen" Menschen ein einfaches, unmissverständliches, klares Bild.
Fazit: Du magst ja Recht haben, dass die Rillsche Aussage nicht (ganz) eindeutig ist. Aber muss sie das denn sein? Ist sie denn nicht deutlich genug - deutlich genug, um den Sinn einigermaßen zu fassen? Mit dem ständigen Betonen, die Aussage sei nicht (ganz) eindeutig, sehe ich die Gefahr, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet würde.
Manchmal bin ich nämlich gerne Pragmatiker (vor allem, wenn es wie hier gar keine 'saubere' Lösung geben kann): Und dann nehme ich mir das als Erkenntnis raus, was ich glaube, auch tun zu dürfen. Und das heißt im konkreten Fall: Wenn Rill schreibt "es liegt alles am Boden", dann reicht das doch schon, mir jedenfalls. Allein damit habe ich doch schon ein klares, eindeutiges Bild! Wenn Rill hinzufügt, "wie ein Ungeheuer", dann, ja dann, kann man das zusätzliche Interpretieren anfangen. Entweder das Rätseln oder das Anpassen des Zusatzes an das eigene, einem genehme Weltbild (wie, ich gebe es zu, ich im letzten Beitrag es ja auch ein klein wenig tat). Aber so oder so (Rätseln oder Einordnen): Ich glaube nicht, dass der Zusatz "wie ein Ungeheuer" das Vorhergehende "es liegt alles am Boden..." in Frage stellt. Und darauf kommt es doch an! Und falls Du da zustimmen könntest, wissen wir doch das Wesentliche - und können die Diskussion, wie Du es ja auch schon mal wolltest, beenden.
Mehr Kopfschmerzen bereitet mir - und für uns wesentlicher wäre - die logische und zeitliche Verkettung der Textstellen, auf die sich Randomizer und im Anschluss Taurec bezogen:
Krieg aus ... Deutschland wird zerrissen ... neuer Mann richtet das neue Deutschland auf ... Weltherrschaft erhält, wer das fleißigste Volk besitzt ... England wird ärmster Staat in Europa, denn (!) Deutschland ist das fleißigste Volk der Welt ... Am Schluss kommt noch Rußland ...
Eins muss man hier rein logisch ja wohl ausschließen: Dass Deutschland (auch wenn dessen Volk nach dieser Sichtweise das fleißigste ist) die Weltherrschaft erhält - denn in diesem Fall könnte am Schluss nicht auch noch Russland kommen, um durch es hindurchzumarschieren! Randomizer versucht mit dem Wort "besitzt" den Fall zu knacken. Dass die USA (oder Brüssel/EU) Deutschland besitzen. Aber: Warum sollte deshalb ("denn" heißt die Vernüpfung bei Rill!) England ärmster Staat in Europa werden? (Abgesehen davon, dass England das auch nicht ist.) Was hätte England nach der Randomizerschen Logik in dieser Textpassage überhaupt zu suchen? ---- Aus dem heraus ist Taurecs Frage zumindest nicht an den Haaren herbeigezogen: ob hier Rill mit England und damit (!) vielleicht auch mit dem fleißigsten Volk (und damit mit der "Welt"herrschaft) nicht Informationen aus der Zeit nach dem "dritten Weltgeschehen" mit Informationen zur Zeit vor diesem "dritten Weltgeschehen" miteinander vermengt, durcheinander bringt. Also: die Sache mit England und der Herrschaftsfrage in die Zeit nach dem "dritten Weltgeschehen" gehört.
Angesichts dieses Durcheinanders, was Logik und Sprachbilder betrifft, komme ich mit dem am Boden liegenden Ungeheuer noch vergleichsweise gut klar. Und würde die Diskussion zumindest zu diesem Aspekt wie Du beenden.
Gruß,
Richard