Noch was, was nicht passt (Schauungen & Prophezeiungen)

RichardS, Mittwoch, 05.05.2010, 15:01 (vor 5163 Tagen) @ Kiaril (11049 Aufrufe)

Hallo Kiaril!

In einem einzigen Punkt kann ich Dir nicht zustimmen:

Möglicherweise erfahren wir erst eine Währungsumstellung im bekannten Wechselkurs zum Euro. Es würde sich auf den ersten Blick an der finanziellen Lage der BRD zwar nix ändern, brächte aber noch eine bemerkenswerte Atempause.

Während andere reihenweise Staatsbankrott anmelden müssten, hätte die Bundesbank wieder die Oberhoheit über die Währung, nicht die alles monetarisierende EZB! Die Transferzahlungen blieben aus und würden die Lage bei uns stabilisieren. Möglicherweise würde eine zeitweise stabile DM sogar internationale Investoren anlocken, aus Mangel an Alternativen.

Dieses in Konjunktiv geschriebene, von Dir entworfene Szenario ist Wunschdenken. Was in Europa zurzeit passiert, liegt durchaus im Interesse der USA und ihrer Verbündeten Nr. 1, den Briten. Die Griechenland-Krise und ihr Hochkochen (sowie die Spekulationen, dass sich der Brandherd auf weitere Euro-Länder wie Portugal und/ oder Spanien usw. ausweiten wird) hat nämlich eines bewirkt: Die Anfälligkeit des US-Dollars (selbst des britischen Pfunds) sowie die dieser zugrundeliegende extreme Staatsverschuldung - die anders als in Griechenland (auf Druck der EU-Partner), in den USA (und bei den Briten) auch nicht "bekämpft" wird, sondern weiter aggressiv gesteigert wird - ist schlagartig aus dem Fokus der "öffentlichen" Aufmerksamkeit geraten. Der Euro sinkt, der US-Dollar steigt - zumindest gegenüber dem Euro, der bis vor kurzem noch als vergleichsweise sicherere Alternative zur Welt-Leit-Währung galt. Dieses Ansehen hat der Euro in wenigen Monaten verloren. Und es sieht so aus, als würde der Euro weiter an Wert gegenüber dem vor kurzem noch so schwach aussehenden US-Dollar verlieren. Es gibt staatspolitische Interessen, dass dem so ist - und es gibt finanzielle Interessen, dass dem so ist - im einen Fall, weil die Welt-Leit-Währung nicht mehr ganz so marode gehandelt wird wie bis vor kurzem noch zu befürchten - im anderen Fall, weil sich mit Währungskrisen Geld verdienen lässt, eine Menge (ich erinnere an Soros und seinen Sieg - und seine Milliardengewinne - gegen das britische Pfund - schon damals hatte diese erfolgreiche Spekulation Auswirkungen auf das europäische Währungssystem). Meine Behauptung: Dass die Euro-Krise, egal welche systemimmanente Ursachen sie hat, ausgerechnet jetzt ausgebrochen ist, ist kein Zufall, sondern von Interessen gesteuert, die auch den notwendigen Einfluss über Medien und Märkte haben. Es ist ein sog. win-win-Spiel für Kräfte, die keineswegs immer auf einer Linie liegen müssen, sich aber hier gegenseitig nützlich sind. Und ob Dummheit, Naivität oder sonstwas "unserer" Medien: Die Überschuldung Griechenlands scheint in deren Augen ein riesiges Problem zu sein - trotz "harter" angekündigter Gegen-Maßnahmen seitens der griechischen Politik, während die Schuldenorgien allen voran der USA, die ungebremst - letzten Endes vertrauend auf die miltärische Macht - weiter fortgetrieben werden, mittlerweile wieder als etwas betrachtet werden, was doch seit Jahrzehnten gut ging - eben business as usual, auf gut amerikanisch. Stellt sich die Frage: Wollen die USA einen starken US-Dollar? Antwort: Nein! Daran, dass - zur Bewältigung der Finanz- und Staatskrisen - ein Abwertungswettlauf der Währungen zu betreiben ist, hat sich grundsätzlich gar nicht geändert. Dieser Währungsabwertungswettlauf hat nur eine weitere Nuance erhalten: den Krieg gegen den Euro bzw. seiner Länder - und es scheint nur so, als stünde der Krieg gegen den Euro im Widerspruch zu den Interessen aller einflussreichen Nationen, über eine Abwertung der jeweils eigenen Währung ihre (Export)Wirtschaft zu stärken. Die momentane gezielte Schwächung des Euro (die damit den US-Dollar relativ stützt) nützt allerdings einem übergeordneten Interesse der USA: dem Erhalt ihrer eigenen Währung als Leitwährung der Welt. Diese Funktion war und ist gefährdet - allen voran durch Staaten wie China, die die großen Gläubiger der Schuldnernation USA sind. China fordert(e) seit Monaten von den USA Maßnahmen gegen die kontinuierliche Abwertung des US-Dollars - denn jeder Wertverlust des US-Dollars entwertet automatisch die Dollar-Anleihe-Vermögen, auf denen China (und auch Japan) sitzt. China kann gar nicht soviel Rohstoffe und Unternehmen weltweit aufkaufen (schlechte US-Dollar in gute Investments tauschen) als neue US-Dollars hinzukommen, aber in den Medien war immerhin bereits zu lesen, dass der Berg an chinesischen US-Dollar-Guthaben nicht mehr so wächst wie ehedem. Hier brennt es für die USA! Falls Gläubigerstaaten wie China ihnen mehr als bis jetzt den Rücken drehten! Also "müssen" die USA etwas dafür tun, dass ihr US-Dollar nicht völlig abschmiert - obwohl sie gegen einen starken US-Dollar sind (und mit ihrer Finanzpolitik den US-Dollar ohnehin ständig aufweichen) und interessanterweise ihrerseits von den Chinesen fordern, dass diese gefälligst ihre (!) Währung aufwerten sollen und nicht künstlich niedrig halten! Zwei Forderungen zwischen den USA und der VR China, die nicht gegensätzlicher sein könnten: beide fordern vom jeweiligen anderen, dass der etwas für die Stärkung der eigenen Währung tun solle - damit es dem Fordernden nutze! Es ist also längst ein Konflikt auf diesen (nicht-militärischen) Ebenen entbrannt, der scheinbar mit Griechenland und unseren geliebten Euro-Ländern nichts zu tun hat. Wie lösen die USA ihr Problem mit Staaten wie China? Sie kuschen nicht - soweit ist es noch lange nicht -, aber sie sind doch gezwungen zu reagieren. Sie können es sich nicht mehr leisten, die Wünsche und Ängste von Staaten wie China zu ignorieren, von denen sie als Schuldner zur kontinuierlichen Finanzierung ihres eigenen Haushalts abhängen - von denen auch abhängt, wie sehr ihre Währung noch als Leit-Währung akzeptiert wird. Die Lösung: Man suche sich einen Esel, auf den sich hauen lässt. Und das ist der Euro und zu Beginn das offenbar schwächste Euro-Land, Griechenland. Mit der Euro-Krise "festigt" sich etwas der US-Dollar - und die eigentliche Konkurrenzwährung zur Leitwährung US-Dollar, die am Horizent aufschien, erhält ihre Kratzer, die sich vermutlich noch vertiefen lassen. (Von der anderen Konkurrenzwährung, der einzigen Nicht-Papier-Währung, dem Gold, will ich hier nicht reden.) Damit ist die drohende Gefahr, die momentane Welt-Leit-Währung stürzte von Thron, bis auf weiteres gebannt, so die Hoffnung der USA.
Nun komme ich zu Deinem Szenario, Kiaril:
Eine neue (alte) DM - als Ersatz des Einheits-Euros - mit den vorgestellten Konsequenzen:
"...würden die Lage bei uns stabilisieren. Möglicherweise würde eine zeitweise stabile DM sogar internationale Investoren anlocken, aus Mangel an Alternativen."
Akademisch gedacht, nicht ganz falsch. Aber: Was heißt "eine zeitweise stabile DM"? Stabil - gegen wen oder was? Gegen Gold? Gegen andere Währungen? Gegen den US-Dollar gar - oder gar stabiler als der weiche und im Grunde alles andere als "stabile" US-Dollar? Denk an das, was gerade mit dem Euro abläuft! Die (tendentielle oder faktische) Zertrümmerung bzw. Aufweichung des Euro hat nicht das Ziel, dass anstelle eines die Welt-Leit-Währung gefährdenden Euros ein neuer Konkurrent auf der Matte steht: eine neue (alte) DM - die dann auch noch den Vorzug hätte, die Südschienenländer nicht mitfinanzieren zu müssen. Sicher, internationale Investoren würden dadurch angelockt - aber für Leute wie Obama & Co. wäre das sicher der absolute Graus - allein die Vorstellung: nicht der US-Dollar, sondern eine neue DM im alten Glanz gälte als sicherer Hafen. (Unter diesem Verdacht steht schließlich schon der Schweizer Franken, die Querschüsse gegen die Schweiz seit Jahren gerade aus den USA will ich hier nicht aufzählen.)
Und darum sehe ich auch Folgendes anders als Du es siehst:
"Diese Massnahme entspräche auch der Halbherzigkeit unserer Politik. Deren Hälse wären vorerst gerettet, aber grundlegendes würde nichts angefasst. Vorerst..."
Nein. Was unsere Poltitik momentan faktisch betreibt - das (!) entspricht ihrer "Halbherzigkeit". Ein Austritt aus dem Euro-Verbund - wie und unter welchen Vorzeichen auch immer - und mit dem erklärten Ziel einer "stabilen", "gesunden" Währung, wäre dagegen der Affront - nein, nicht gegenüber den deutschen Untertanen, wohl aber gegen unsere Schutzmächte und insbesondere der ersten und wahren. (Und darum gäbe es für "unser Land" auch keine "Atempause"...) Und darum glaube ich auch nicht, dass Merkel, Westerwelle & Co. damit ihre Hälse retteten, eher das Gegenteil. Mag sein, dass in den kommenden Jahren das Euro-System bricht - bis es soweit ist, wird die Zerrüttung der nationalen Finanzen zugenommen haben - und der Bruch wird kaum als souveräner Akt "zum Wohle" des eigenen Volkes ablaufen, letzteres wird bis dahin geschädigter sein als heute - und zwar auch durch die Leute, die ihre Hälse momentan genau so retten, dass nicht nur die immer dicker werden.

Gruß
Richard


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