Vielen Dank, Wintermond, für Deine Einwände!
Die "Prophezeiungen" der Welt muss man nicht gewaltsam vereinen. Sie fließen von alleine immer wieder zusammen, denn sie entspringen der gleichen, durch den geschichtlichen Gestaltwandel kaum beeindruckbaren, großartigen menschlichen Seele. Und ihren Nöten.*)
Was nun die russischen Streitkräfte betrifft, so glaub ich Dir sofort, dass dort die Offiziere den Islam argwöhnisch bis ängstlich beobachten und Moslems nicht wirklich in die höheren Ränge hereinlassen wollen, am wenigsten in die Stäbe. Aber ich würde so eine Haltung eher als Ausdruck von Arroganz, von altbekannter russischer Xenophobie und als Folge von schlechten Erfahrungen interpretieren. Vor allem aber als Wunschdenken - denn die realen Entwicklungen seit 1990 (siehe z.B. den kontinuierlich steigenden Anteil der moslemischen Ethnien in Moskau, in der Duma, in den Ministerien - und im Heer gibt es inzwischen sogar Feld-Imams!!) sowie die demographischen Trends sprechen gegen eine derartige Einstellung. Einige Mullah-Fundis jubeln heute schon, dass wohl bald nach 2015 der Moslemanteil in den russischen Streitkräften über die 50% klettern würde. Was Nostradamus mit dem großen Kamel gemeint hat, wissen wir nicht wirklich: also mögen Kopf und Hals und Höcker meinetwegen slawisch, die übrigen Körperteile aber ein treues Abbild von Eurasien sein. Ich finde den Ausdruch Kamel, im Hinblick auf weitere denkbare Charakteristika dieser Armee aus der Zukunft jedenfalls sehr treffend.
Mir ging es aber nicht nur um die innere Zusammensetzung der Streitkräfte, sondern auch um Allianzen an der Südflanke, die sich militärisch etwa ähnlich konkretisieren könnten wie seinerzeit mit den "Freiwilligen" und "Hilfswilligen" sowie ausländischen Legionen der Wehrmacht - Verbände zur See meinetwegen piratenartig. Im übrigen weißt Du ganz genau, dass im heutigen Krieg "Private Militärische Firmen" eine immer größere Rolle spielen (ich persönlich halte Afghanistan nicht für einen Krieg sondern für ein Business ...), und die diesbezüglichen russischen Firmen stehen denen des Westens in der Professionalität nicht nach, haben außerdem auch exzellente Kontakte in den "arabischen Raum". Und dann gibt es noch die verdeckten Operationen ...
Russland hält sich in Nahost und Mittelost erstaunlich gut, wenn man bedenkt, welch rutschiges und wackliges Parkett da ausliegt. Heute ist Russland dort jedermanns Freund - Israel ein bißchen ausgenommen: letzten Monat hat man von einen Israeli abgeschoben, weil man (angeblich) den Eindruck hatte, der würde zu viel über den russisch-arabischen Waffenhandel wissen wollen ...
Es ist Russland gelungen, den radikalen (sunnitischen) Islamismus nicht nur innenpolitisch (bis jetzt wenigstens ...) zu kontrollieren sondern auch außenpolitisch weitgehend von sich fernzuhalten, ohne dabei konfrontativ auftreten zu müssen, selbst zu Saudi-Arabien ist das Verhältnis (aufgrund kleiner Waffengeschäfte ...) inzwischen freundschaftlich.
Was die Amerikaner dagegen im Nordafrika, im Nahen und Mittleren Osten seit einigen Jahren abziehen und aktuell nun verstärkt haben, ist der helle Wahnsinn: die öffnen dort Schleußen, die sie nicht mehr werden kontrollieren können. Aber vielleicht ist das ja kalkuliert so. Ägypten z.B. hat gleich nach der "Revolution", im April, zum ersten Mal seit 30 Jahren, zwei iranische Schiffe unkontrolliert durch den Kanal fahren lassen: Zielhafen Latakia in Syrien, an Bord Waffensysteme für die Hamas. Komisch, dass gerade dort es schon früh mit der Rebellion gegen Assad anfing ...
Medwedew ist in Sachen Gaddafi zwar umgefallen, aber wird er es auch bei Assad tun? Syrien hat eine Schlüsselrolle. Die Zeit arbeitet für Russland, das diplomatisch im Augenblick eindeutig in der Defensive ist, aber erstaunlich ruhig manövriert.
Ich habe nur empfohlen, die Kontakte Russlands in den arabischen Raum sorgfältig zu beobachten. Nicht das, was die Amerikaner dort tun, ist wichtig, denn die können nur noch Chaos anrichten. Ich traue den Russen zu, dass sie damit zurechtkommen, vielleicht sogar davon profitieren. Deswegen also die Aufmerksamkeit.
Oder sollen wir stattdessen annehmen, die Amerikaner bekommen den Mittelmeer-Raum und den Mittleren Osten völlig unter ihre Kontrolle? In Rumänien wird ja gerade Phase I des neuen"Schutzschildes" aufgestellt. Die Russische Schwarzmeerflotte dagegen hat möglicherweise nur noch Schrottwert. Die Ukraine wird mit der Nato "lose" kooperieren, etc. etc. - alles läuft nach Wunsch. Dann sollten wir wirklich, wie Detlef das angesprochen hat, die Irlmaier & Co ins Gefrierfach legen, damit sie uns nicht zerlaufen. Obwohl, wenn sie schon 60 Jahre gehalten haben, sind sie eigentlich ohnehin Trockenmumien ...
Ich weiß, Wintermond, dass Du Dich in Deinem Bereich gut auskennst. Ich lese Deine Beiträge gern und aufmerksam. Es gefällt mir etwa, wenn jemand die russischen Panzertypen inklusive Anzahl sowie Entwicklungs- und Einsatzzustand herunterbuchstabieren kann. Deswegen bitte eine Frage von mir, die in Richtung Deines Beitrages vom 04.06. geht, denn ich denke, man sollte bestimmte Dinge hier auf dem Forum ganz offen sagen.
Hitler gab dem OKW am 31.7.40 seinen Plan bekannt, die SU angreifen zu wollen. Am 18.12. hat er die Vorbereitung von Barbarossa befohlen, vorgestern vor 70 Jahren ging's los. Sag mir bitte: wenn morgen in Moskau die Entscheidung fiele, auf vernünftige Weise **) bis an den Rhein vorzustoßen zu wollen (Paris wäre natürlich besser ...), könnten sie dann nächstes Jahr bei uns sein? Und bitte den Aufbau einer Flanke im Mittelmeerraum einplanen, die drei Monate hält, die Nordflanke (Skandinavien) können sie vermutlich alleine stemmen. Und vielleicht noch eine Zusatzfrage: würden ihre Vorbereitungen genauso wenig bemerkt werden, wie anno 1940 die russischen von den Deutschen - und die deutschen von den Russen?
Im Augenblick, 70 Jahre danach, sieht es aus, als wäre das verzweifelte und verfluchte Unternehmen Barbarossa irgendwie doch gelungen: Russland ist eingekreist und kann keinen Atemzug mehr tun, ohne dass seine Nachbarn (und "Möchtegern-Feinde") das mitbekommen - Dank unseren großzügigen Freunden über dem Antlantik. Weniger melodramatisch ausgedrückt: Russland erscheint aktuell als eine souveräne aber sehr besonnene und verlässliche Macht, die zwischenstaatlich rundum an friedlichen Verhältnissen interessiert ist.
Gruss, Gerhard
*) Wann und wo eine Seele voll entwickelt, heißt ganz zu sich selbst gekommen ist und dies ausstrahlen darf, hören die "Prophezeiungen" ohnehin von alleine auf.
**) Wir wollen keine Psychose, also einen Amoklauf annehmen ...