Hallo!
Centurie III, XXXIV.
Wird sich dann die Sonn´ mit Nacht umkleiden,
wird man am Mittag das Monstrum sehen,
In ganz and´rem Sinne wird man´s deuten,
Und auf Teurung keiner sich versehen.
Nun bin ich bei Nostradamus skeptisch, weil man die Verse sehr schlecht zeitlich einordnen kann - es ist alles durcheinander - aber die vorausgesagte Teuerung bei Irlmaier (die in der Geschichte natürlich auch nicht einmalig ist) trifft sich hier mit der Sichtung eines Riesenplaneten.
Komich, nich?
Ist das diese Nostradamusübersetzung aus dem 19. Jahrhundert, über die mir BB immer wieder witzelt? Da hat jemand, statt zu übersetzen, die Verse einfach nachgedichtet.
Der Vers dürfte aber mit unserer Sache zu tun haben.
Richtige Übersetzung:
III/34
Quand le deffaut du Soleil lors ſera
Sur le plain iour le monſtre ſera veu:
Tout autrement on l’interpretera,
Cherté n’a garde nul n’y aura pourueu.
Wenn der Fehler1 der Sonne dann ist
Am hellen2 Tage das Monster3 wird gesehen.
Völlig anders wird man es deuten,
Teuerung hat keine Beaufsichtigung4, niemand hat da vorgesorgt.
1 Frz. „défaut“ = „Fehler“, „Schwäche“, „Unvollkommenheit“, „Laster“, „Makel“.
2 Mfrz. „plain“ = „eben“, „plan“, „klar“, „offen“.
3 Lat. „monstrum“ = „Wunderzeichen“, „Ungeheuer“, „Ungetüm“; von lat. „monere“ = „ermahnen“, „eingeben“, „weissagen“.
4 Mfrz. „garde“ kann eine ganze Reihe Bedeutungen haben: „Schutz“, „Hut“, „Obhut“, „Wächter“, „Bewachung“, „Beaufsichtigung“, „Vormundschaft“, „Überwachung“.
Z. 1: Wahrscheinlich so zu verstehen, daß das Sonnenlicht eine Schwäche bekommt. Es wird also dunkler oder dunkel. Die Sonne wird aber nicht unbedingt direkt durch den Himmelskörper verdeckt werden. Vielmehr dürfte hier von der Finsternis (vollkommene Verdunklung) oder einer Eintrübung wie vor dem Kältesommer die Rede sein.
Z. 2: Hier ist darauf zu achten, daß "Monstrum" früher nicht die heutige eingschränkte Bedeutung hatte, sondern auch (positiver) Wunderzeichen oder (neutraler) einfach ein Himmelszeichen/Vorzeichen oder ähnliches bedeuten kann. Siehe die Ableitung vom lateinischen "monere". Hier ist also nicht von der Größe des Himmelskörpers die Rede, sondern der abstrakten Bedeutung, bzw. symbolischen Bedeutung des Himmelsgeschehens für das Menschenschicksal. Am "hellen Tage", also aus heiterem Himmel werden die Kreise der Menschen gestört. Meint nicht "überraschend", sondern bezieht sich auf die Arglosigkeit der Menschen in ihrer zivilisatorischen Dekadenz.
Z. 3: Paßt zu Zeile 2. Das "Zeichen" muß gedeutet werden. Tatsächlich wird es falsch gedeutet.
Z. 4: "Garde" ist wohl so zu verstehen, daß die Teuerung unkontrollierbar ist.
Der Vers paßt zu älteren Prophezeiungen und Volkssagen:
Wudy (1914): "Dann tanzen sie auch noch, aber draußen wird ein Himmelszeichen stehen, das den Anfang vom großen Unheil ankündigt."
Stormberger (Rabensteiner Handschrift, Ende 19. Jh.): "Es werden verschiedene Himmelszeichen gesehen werden, aber die weltlichen Herren werden wenig daran glauben und sagen das sind Blindgänge. Es wird aber Gott seine Rute ausstrecken über das unheile Volk der Welt." "[...] es wird das Holz eine große Teuerung bekommen daß es die armen Leute unmöglich mehr kaufen können" "Es wird sich unter dieser Zeit eine große Teuerung erheben und wenn die Sache aufs höchste gestiegen ist, danach wird es auf einmal fallen und schlecht geachtet sein es wird eine neue Liebe des Nächsten unter den Menschen sein."
Stormberger (Tittlinger Handschrift, 1840): "Nach diesen Jahren wird eine große Teuerung werden, da wird der arme Mensch viel Not leiden müssen und wird sein Leben hart durchbringen. Nach dieser Teuerung wird wieder eine gute Zeit werden." "Danach wird eine Teuerung werden und der Arme wird nicht wissen, wie er sein Leben durchbringen muß." "Nach dieser Teuerung wird alles recht wohlfeil werden. Dabei wird bei dem kleinen wie bei dem großen Stande die Hofart und der Übermut überhand nehmen und der arme Mensch wird recht schlecht geachtet sein."
Stormberger (Bodenmaiser Handschrift, zw. 1780 und 1820): "Es wird sich unter der Zeit eine große Teuerung erheben und wenn alles am höchsten gestiegen ist, danach wird es auf einmal fallen und wird schlecht geachtet sein." (In der ältesten Fassung noch ohne Himmelszeichen, das erst später hinzugedichtet wurde.)
Gilge (19. Jh.): "Die Gaben werden langsam hinaufgehen, als wenn einer einen Gratten hinaufzöge, immer weiter, immer höher. Dann, wenn alles so teuer ist, daß die Leute sagen werden: Jetzt hat es kein Gleichnis mehr, so ist es, als ob einer den Strick abhacken würde und der Gratte springt schnell auf den Boden herab. Alles wird nichts mehr wert sein. Wenn einer einen Grund und Boden hat, der wird noch etwas haben, die andern werden alle nichts mehr haben. Das ausgeliehene Geld wird alles hin sein."
Velten (1865): "Endlich rötet sich der graue Himmel an einer Stelle, ein feuriger Kern wird sichtbar dunkelrot glühend und wächst, bis er wie eine feurige Rute sich von einem Ende bis zu dem andern zieht. Die Ängstlichen beginnen nachdenklich zu werden und ein unheimliches Grauen ergreift sie – der Leichtsinn spottet der drohenden Erscheinung – die frommen Gelehrten schlagen in ihren Büchern und alten Chroniken nach und wissen nicht, wie sie es anders zu deuten haben, als auf einen Vorboten von besonderen unglücklichen Ereignissen, welche die nächste Zukunft bringen werde nach dem Vorgange früherer Jahrhunderte. Die sich aber weise und klug dünken, sprechen: was geht dieser Komet unsere Erde an, der gehört nicht zu unserer Welt und kann uns keinen Schaden bringen." (Überhaupt finden sich bei Velten viele Elemente der Volkssage in literarisch ausgestalteter Form.)
Sibylle Michalda (1868): "[...] sogar auch die Himmelsplaneten werden gegen die Menschen sich feindlich beweisen und die Sonne wird ihnen nicht wie sonst so warme Strahlen zusenden, und es wird gar oft eine starke Kälte geben" "Das sechste Zeichen wird sein, wenn die Häuser, Güter und Gründe weit über ihrem Wert geschätzt und gekauft werden." "Das siebente Zeichen wird sein, wenn die Menschen viele Obst und Weingärten errichten und verschiedene wüste Orte umackern und aus diesen Felder machen werden und das Brot dennoch teuer sein wird." "Das achte Zeichen wird sein, wenn im Gelde eine Veränderung geschehen und durch lange Zeit dauern wird, dabei auch große verschiedene, unerhörte und unerträgliche Steuern und Abgaben eingeführt werden." "Das dritte Zeichen wird sein, wenn die Sonne, der Mond, die Sterne so rot wie Blut leuchten werden; da werden die Menschen die Hände ringen und zu Gott dem Herrn sich bekehren."
Volkssage bei Beykirch (1849, angeblich 1622): "Der September und Oktober wird ein großes Blutvergießen mit sich bringen. Im November wird man Wunderdinge sehen. Um diese Zeit ist das Kind 28 Jahre alt, dessen Säugamme von Morgen sein wird. Dieser wird große Dinge verrichten."
Die Übereinstimmungen sind so frappierend, daß man sich überlegen muß, ob die Volkssage an diesen Stellen nicht von Nostradamus beeinflußt wurde.
Gruß
Taurec
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„Es lebe unser heiliges Deutschland!“
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„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“