zum Zähneausbeissen (Freie Themen)

Sagitta, Dienstag, 28.02.2017, 22:10 (vor 2859 Tagen) @ BBouvier (5907 Aufrufe)

Hallo BB -

Respekt und vielen Dank für Deine offenen Worte! Bin also nicht der Einzige, der sich über die Feldpostbriefe kritisch den Kopf zerbricht!?

Der schlimmste Fall wäre, dass da jemand eine Komplettfälschung kurz nach dem Zweiten Weltkrieg veranstaltet hat. Das wäre eine dreiste wie raffinierte Sache gewesen, und auch Bender wäre dann eine Generation später nochmal hinters Licht geführt worden. Zwar gebe ich ein solches Szenario auch nicht völlig auf, aber dagegen spricht, dass selbst dann der Text sehr spezifische 'prophetische' Anteile hätte: Besatzungen lösen sich, der Fluch im Innern bleibt bestehen (gutes Bild für die nicht wirklich durchgeführte 'Entnazifizierung'!?). Das geht dann schon eine Hand breit über die ebenfalls vorhandenen Allgemeinplätze hinaus (Moral immer tiefer etc.), aber könnte auch von einem scharfsinnigen Beobachter der Zeitgeschichte so ausgedrückt werden. Jedenfalls liegt die Wahrscheinlichkeit einer Komplettfälschung kleiner 10%.

Der andere Pol in der Einschätzung ist dann klar: die Feldpostbriefe (FPB) sind von hinten bis vorne Wahrheit und weithin leuchtendes Beispiel für menschliche Präkognition (denn es ja wird nirgends behauptet, wie etwa beim Eismeerfischer, dass es sich um eine Eingebung des Herrn oder von Frau Maria handele). Aber selbst wenn man die FPB somit für bare Münzen nehmen möchte, müssen sie eben unter den Röntgenapparat und ins Chemielabor.

Denn es ist ganz offensichtlich, dass sie Traditionsstücke enthalten (Markustag, Sittenzerfall). Die kommen teils aus der katholischen Ecke (Papstflucht), teils aus dem Anti-Freimaurer-Milieu (böse Hintermänner), sie bedienen aber nicht die monarchische Tradition: sehr gute Beobachtung von Taurec zu den "Machthabern"! Die gleiche Linie ist der 'Friedensschluß' am Ende. Da hätte der Seher leicht den Großen Monarchen inklusive Krönung reinbringen können, doch dieser 'Seher' ist ganz offensichtlich aufgeklärt und ein Republikaner ...

Was mich an den FPB am meisten nervt, ist die hohe Abstraktionsebene: die Formulierungen sind kilometerweit weg von Präkognition und Schauung. 'Deutschland wird zusammengedrückt, die Schweiz kommt und hilft, die Sieger fragen die Verlierer um Rat' - das sind alles keine Schauungen! Man müsste dazu 1000 Einzelschauungen haben und diese dann analytisch zusammenfassen. Und dann auch noch Jahreszahlen 'dazusehen'. Ist nach meiner Auffassung eine Unmöglichkeit. Es geht in die Richtung dessen, was Nostradamus für sich beansprucht (doch hat jener mehr Einzeldetails, die hier fehlen - natürlich auch wegen der notwendigen Kürze des Briefes). Neben der Abstraktion stört mich noch ein wenig das Moralisieren (Teufelszeit etc.). Das kann aber von Rill mit eingetragen worden sein.

Ich habe mal die FPB in einer Zusammenfassung dargestellt, die den Textsinn möglichst stimmig wiedergeben sollte.

https://schauungen.de/forum/index.php?id=25752

Man müsste auch eine Zusammenstellung machen, die den Text in seine einzelnen Bausteine zerlegt und dann nach deren Herkunft/Inhalt/Funktion fragt (ähnlich wie es Taurec hinsichtlich der Quellenfrage einst mit dem Lindenlied gemacht hat).

Es tragen aber die FPB in Bezug auf unsere eigene Zukunft nicht mehr viel aus. Da stehen, als verwertbare Aussagen, nur die seichten Flüsse, die hinwerfenden Russen und das feuerspeiende Chiemgau an. Alles andere in den FPB ist zwischenzeitlich ja Geschichte. Insofern haben sie (für mich wenigstens) insgesamt keine so große Bedeutung mehr.

Aber sie sind nach wie vor für jeden 'Schauungsforscher' eine echt harte Nuss.

Mit den besten Grüßen,
Sagitta


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