Re: Lange Plagiatskette: auch Texte der röm. Pseudo-Sibyllen... (Schauungen & Prophezeiungen)

Eyspfeil, Vorort Stuttgart, Sonntag, 01.11.2009, 21:40 (vor 5529 Tagen) @ BBouvier (8995 Aufrufe)
bearbeitet von Eyspfeil, Sonntag, 01.11.2009, 21:47

Hallo BBouvier!

"Wir haben also folgende (Plagiats)-Kette:
=>
Uralter Impaktbericht->Sibyllinische Bücher-Mattäus->
Johannesoffenbarung->Wilkerson..."

Also ganz grob gesagt könnte das stimmen.
Wobei ich mich nicht zu der Apostasie hinreißen
lassen will, zu hadern, ob denn der Jünger
Matthäus existiert hat oder nicht.
Bibelforschung ist noch ein ganz anderes
Faß, da überschreiten doch die meisten
hier ihre Kompetenz, die höchstens ein
paar hochdotierte Theologen innehaben.
Welcher Apostel hat von wem abgeschrieben,
hat Paulus ohnehin alles erfunden, welche
Inhalte der Bibel wurden beim Konzil von
Nicäa herausgestrichen, und überhaupt ist
vieles fehlerhaft übersetzt worden.

Und jetzt ist die Johannes-Offenbarung
womöglich noch von der altrömischen
Sibylle abgeschrieben worden, teilweise?

Schon vor Jahren hatte ich im Netz versucht,
irgendwelche Texte der alten Sibyllen
aufzutreiben.
Aber so ziemlich das einzige Werk, das
frei als PDF-Dokument erhältlich ist,
Milton S. Terry's
"The Sibylline Oracles", erschienen 1899,
auf Englisch logischerweise nur.

Im Vorwort wird darauf hingewiesen, daß die aus dem
6.Jahrhundert v.Chr. stammenden Original-Schriftrollen
ca. im Jahr 400 n.Chr. verbrannt wurden,
vom römischen General Flavius Stilicho.
Nachdem sie bereits 83 v.Chr. teilweise einem Brand
zum Opfer fielen.

"There is very little knowledge of the actual contents of the original Sibylline Books. The texts which are presented here are
forgeries, probably composed between the second to sixth century C.E."

Auf deutsch: Es gibt kaum Erkenntnisse über den tatsächlichen
Inhalt der Original-Bücher. Alle Texte sind Fälschungen, die
zwischen dem 2. und 6.Jahrhundert entstanden sind.

Die Sonnenverfinsterung und die Mondrötung sind Bestandteil
des Textes, der zusammengebastelt wurde, wie Du vermutest,
aus alt-indogermanischen Endzeit-Mythen:

990" That thou may'st know when the end of all things
On earth shall be. When in the starry heaven6
Swords shall by night point straight toward west and
east,
Straightway shalt there be also from the heaven
A cloud of dust borne forth to all the earth,
995 And the sun's brightness in the midst of heaven
Shall be eclipsed, and the moon's beams appear
And come again on earth; by drops of blood
Distilling from the rocks a sign shalt be;
And in the cloud shalt ye behold a war
1000 Of foot and horse, like the chase of wild beasts
In the dense fog. This end of all things God
Shalt consummate, whose dwelling is in heaven.
But all must sacrifice to the great King..."

"...An evil harvest; when in the day-time
The sun that lighteth mortals shall withdraw,
115 And his disk not appear, and drops of blood
Thick and abundant shall flow down from heaven
Upon the earth. And then the king shall die,
Betrayed by his companions. After him
Shall many shameless leaders still promote..."

"...Then, when each darkened breast he brings to sight,
Heaven's stars shall fall; and day be turned to night;
Effaced the sun-ray, and the moon's pale light.

Wie man sieht, ist alles uns 'alte Bekannte' darin erkennbar:
Die Schwerter alias der Funkenregen bzw. der Himmelskörper,
die Staubwolke, die die gesamte Erde bedeckt, ein Krieg,
Blutstropfen, die einmal vom Himmel fallen, das
andere Mal vom Mond ausgehen.
Aus den Felsen heraus wird ein Zeichen sichtbar.

Ferner fand ich in meinem Archiv noch ein Auszug aus einer deutschen Quelle:

Riessler, Paul: "Sibyllinische Orakel, Drittes Buch." Altjüdisches Schrifttum ausserhalb der Bibel. Heidelberg: F. H. Kerle Verlag, 1966, 1014-1039.


Textauszug, Zeile 624-829

802 Der Sonne Glanz verschwindet von dem Himmel mitten an dem Tag.
803 Des Mondes Strahlen kommen dafür sichtbar auf die Erde.
804 Ein Zeichen kommt aus Felsen mit Blutstropfen.
805 Ihr seht in den Wolken einen Kampf von Fußvolk und von Reitern,
806 gleich einer Jagd auf wilde Tier, den Nebeln ähnlich.
807 Das ist das Ende, das jetzt der Himmelsgott dem Kriege setzt.
808 Deswegen müssen all dem großen König opfern.
809 Dies sind des Gotteszornes Taten.
810 Ich ging aus des assyrischen Babels hohen Mauern, von Raserei getrieben,
811 und komme wie ein Feuerbrand gen Griechenland und künde jene Taten allen Menschen,
812 so daß ich Sterblichen die Rätsel Gottes melde.

Da könnte man sogar so weit gehen und behaupten, die beschriebenen
Naturphänomene wie Sonnenfinsternis und "Blutstropfen" bezögen sich
auf den Untergang des Babylonischen Reiches lange vor Christus.
Deshalb benutzen Studenten der Klassischen Mythologie die Texte.

Im Vorwort bei "Milton S. Terry" steht noch weiteres Hochinteressantes:

"There is very little knowledge of the actual contents of the original Sibylline Books. The texts which are presented here are
forgeries, probably composed between the second to sixth century C.E. They purport to predict events which were already history
or mythological history at the time of composition, as well as vague all-purpose predictions, especially woe for various cities and
countries such as Rome and Assyria. They are an odd pastiche of Hellenistic and Roman Pagan mythology, including Homer and
Hesiod; Jewish legends such as the Garden of Eden, Noah and the Tower of Babel; thinly veiled references to historical figures
such as Alexander the Great and Cleopatra, as well as a long list of Roman Emperors; and last but not least, Gnostic and early
Christian homilies and eschatological writings, all in no particular order. There may be actual residue of the original Sibylline
books wedged in here and there, but this is dubious.
As prophecy, the Pseudo-Sibyllines never rise to the level of Nostradamus. However they are a gold mine for students of
Classical mythology and early first millennium Jewish, Gnostic and Christian beliefs. Notable are apocalyptic passages scattered
throughout which at times seem like a first draft of the Biblical Book of Revelation. The Pseudo-Sibyllines were referenced by
the early Church fathers and in one instance have a Christian code-phrase in successive first letters on each line (an 'acrostic').
These books, in spite of their Pagan content, have been described as part of the Apocrypha, although they do not appear on any of
the canonical lists."

Die frühen Kirchenväter führten die Pseudo-Sibyllinen als apokryphe
Schriften, also quasi als Teil der Bibel!
Die Verse hatten nämlich, nach der Art christlicher Schriften,
ein sogenanntes Akrostichon als ersten Buchstaben einer Verszeile.
Wobei bei mir damit der Verdacht aufkommt, die spät-sibyllinischen
Schriften sind nichts anderes als eine Volkssage früher Christen
im noch Alten Rom...

Grüße,
Eyspfeil


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