Anneliese Michel: Es fehlen Sicherheitsmerkmale (Schauungen & Prophezeiungen)

IFan, Sonntag, 27.07.2025, 00:54 (vor 132 Tagen) @ Leseratte (1254 Aufrufe)
bearbeitet von IFan, Sonntag, 27.07.2025, 01:12

Hallo Leseratte,

"... du scheinst diesbezüglich unter einem enormen Druck zu stehen."

Sagen wir einmal, ich halte nicht so viel davon, etwas halbfertig stehen zu lassen und dann leise weinend nach Hause zu gehen. Das besonders dann nicht, wenn man durch weiteres Vorgehen vielleicht von einem Fragment zu einer sinnvollen Lösung kommt, die für alle fruchtbar ist.

"... ich erspare mir, zu psychologisieren." Nicht nur Dir, auch mir und anderen Teilnehmern. Als Laie ist es vielleicht sogar sowieso sinnvoll, sich in dieser Hinsicht zurückzuhalten.

Zum Text zu Anneliese Michel: Danke dafür. Einige Sachen waren mir nicht (mehr) bekannt. Ich korrigiere mich auch im Hinblick auf "16jährigen"; Frau Michel war 1976 23 Jahre alt.

Du schreibst, "die Auswahl der Dämonen erscheint plakativ, wäre da nicht ein Pfarrer Valentin Fleischmann gewesen, der wirklich 1572 zum Priester geweiht worden war und wenig später wegen Mordversuchs, Alkoholmissbrauchs und Aggressivität laisiert wurde. Woher wusste Anneliese Michel von ihm?"

Es kann sein, dass sie einen Artikel über ihn gelesen hat.

Hier steht etwas über ihn. Es ist anzunehmen, dass sich diese Quelle nicht (allein) auf die Aussagen Frau Michels im Stadium ihrer, sagen wir einmal "Ekstase", stützt.

Wenn man das so hinbiegen möchte, wäre es doch etwas ungewöhnlich, wenn ein Dämon zunächst einmal die Daten seines Lebenslaufs vermittelt, etwa: "Guten Tag. Damit Sie wissen, mit wem sie es zu tun haben, möchte ich Ihnen folgendes mitteilen: Mein Name ist Valentin Fleischmann und ich war Pfarrer in Ettleben. Dort habe ich von 1572 bis 1575 gewirkt. In dieser Zeit habe ich vier Kinder gezeugt, viel Alkohol getrunken, eine Frau krankenhausreif geschlagen und einen Mann erschlagen, übrigens in meinem eigenen Pfarrhaus. Und nun lassen Sie uns zu dämonischen Akltivitäten übergehen."

(Die Daten "1572 bis 1575 in der Gemeinde Ettleben tätig war" sind vermutlich richtig. (Wikipedia)), anders als in Pluspedia.)

Frau Michel war religiös gebildet. Es ist durchaus möglich, dass es Literatur darüber gab. Da Pfarrer Alt aus Ettleben kam, ein Nachfolger von Valentin Fleischmann war und häufig Kontakt mit Anneliese Michel hatte, kann es auch sein, dass er die Literatur mitgebracht hatte oder / und von der Sache erzählt hat.

Es wäre im Übrigen bemerkenswert, dass Frau Michel ausgerechnet über einen Mann in der Gemeinde Pfarrer Alts berichtet bzw. als sich von ihm besessen wähnt, die 100 km entfernt liegt, statt sonstiger bösartiger Männer in der näheren Umgebung, die es über Jahrhunderte bei Klingenberg wahrscheinlich auch gegeben hat und die sich viel eher als "Dämonen" anböten.

Warum wird nicht über die Aussetzung physikalischer Gesetze berichtet - Levitationen, jemand oder etwas fliegt durch den Raum, jemand kriecht eine senkrechte Wand hoch? Warum hatten die "Dämonen" vorwiegend menschliche Namen, aus der Geschichte bekannt, obwohl Dämonen gefallene Engel sind, die häufig noch über die Fähigkeiten verfügen, mit denen sie ausgestattet wurden? Warum wurde "Luzifer" benannt, der äußerst selten anzutreffen ist, nur als gefallener Engel sehr bekannt ist; warum ist nicht von Beelzebub, Leviathan oder anderen Namen die Rede? Warum gab es kein flüssiges Reden in fremden Sprachen, wie Latein oder Aramäisch?

Ich empfehle den Artikel in Wikipedia, den ich gestern fand. Alles in blau Geschriebene ist daraus.

Frau Michel hatte nachweislich einen (leichten) Gehirnschaden, linker Schläfenlappen, der zu epileptischen Anfällen führte. Im Zuge dieser Anfälle "... sollen ihr nach Meinung einer Autorin erstmals teuflische Fratzen erschienen und Stimmen zu Gehör gekommen sein." Ich bin weder Psychiater noch Neurologe, kann mir aber vorstellen, dass solche Anfälle auch zu Halluzinationen o.ä. führen.

"Im Frühjahr 1973 soll Michel erstmals über ein beständiges Klopfen im Schrank, unter dem Fußboden und über der Zimmerdecke geklagt haben; ...". Wenn es stimmt und keine Schutzbehauptung war oder etwas, um sich interessant zu machen, auch keine Halluzination, dann war das allerdings ein Anzeichen dämonischer Aktivitäten. Es ist aber selten, dass die Dämonen dann auch auf die Opfer des Spuks überspringen.

Wenn eine Autowerkstatt fünf Mal die Hinterachse erneuert, um Vibrationen zu eliminieren, und das immer noch nicht geholfen hat, sollte man sich fragen, ob es wirklich daran liegt und ob es Sinn macht, ein sechstes Mal die Achse zu erneuern; die Werkstatt auch. Bei Frau Michel soll 67 Mal der große Exorzismus vollzogen worden sein. Da hätten sich doch die Verantwortlichen fragen sollen, ob sie nicht auf dem falschen Pfad sind.

"Das Glaubens- und Weltbild des Vaters war durch die Prophezeiungen von Fátima, das bayerische Medium Alois Irlmaier, die Seherin Barbara Weigand (...) geprägt." Au weia. "Die Mutter verbot aufgrund strenger Moralvorstellungen der sechzehnjährigen Tochter den Umgang mit dem ersten Freund, die Teilnahme an Tanzveranstaltungen sowie Besuche bei Freundinnen." Was für ein übles Leben. Wie im Frauenknast. Da hätte ich auch raus wollen.

"Der auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Gericht bestellte Gutachter der Nervenklinik der Universität Würzburg stellte fest, dass Michel an einem epileptischen Anfallsleiden gelitten habe. Durch die medikamentöse Behandlung habe sich die Krankheit eine andere Ausdrucksform gesucht und sei zu einer paranoiden Psychose geworden. Dies werde auch durch die Tonbänder der Exorzismussitzungen bestätigt. Es sei eine Erfahrungstatsache, dass Epilepsiepatienten häufig übertriebene oder krankhafte religiöse Einstellungen sowie depressive und paranoide Phasen aufweisen können. Die ab April 1976 auftretende Verschlechterung des Gesundheitszustandes sei auf Autosuggestion infolge von endgültigem Kontrollverlust zurückzuführen. Weitere Ursachen dieses schweren, komplexen Krankheitsbildes lagen nach Ansicht des Gutachters in einer nicht diagnostizierten, extremen Form der Magersucht, die schließlich zum Tode durch Verhungern geführt habe."

Noch ein Auszug: " ... Behauptung einer Laienschwester, Anneliese Michel sei ihr erschienen und habe angekündigt, dass ihr Körper unverwest sei, wodurch die übernatürliche Natur des Geschehens belegt werde. Bei der Öffnung des Sargs in der Leichenhalle des Friedhofs waren (...) anwesend. (...) bestätigten sie eine dem Zeitrahmen entsprechende Verwesung."

Wie beschrieben, empfehle ich den Artikel in Wikipedia.

Es ist ein komplexes Bild, das wohl nicht mit Sicherheit 100%ig aufgelöst werden kann, von uns schon einmal gar nicht. Die wenigen Anzeichen, die auf dämonische Einflüsse deuten, sind das Klopfen sowie die Wahrnehmung von Fratzen, ggf. auch die Abneigung gegen kirchliche Gegenstände, wenn es denn stimmt, was die Wallfahrtsleiterin gesagt hat. Das deutet höchstens auf eine Umsessenheit hin.

Insgesamt sieht alles danach aus, dass es sich zumindest zum allergrößten Teil um eine Krankheit gehandelt hat. Durch die stoische Falschbehandlung der Quacksalber, bestärkt durch die Patientin selber, den Vater und die Mutter, wuchs sich das zu einer Katastrophe aus.

Das eigentlich Schlimme, der Brandbeschleuniger, war der religiöse Wahn, in dem die ganze Familie lebte.

Hier kann man sehen, was das anrichten kann. Betroffen können eben nicht nur Sektenanhänger sein, sondern auch Katholiken. Da gebe ich Ulrich Recht, der vor solchem Katholizismus warnt.

@Ulrich: " ... du Pisa-Studie-Repräsentant."

:lol:


Gruß, IFan


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