Was man wann von wem sieht und ob man es ändern kann (Schauungen & Prophezeiungen)

NeuOrest, Montag, 07.01.2013, 14:06 (vor 4336 Tagen) @ nickela (6409 Aufrufe)

BB schreibt dann wiederum aber auch völlig richtig, dass eine einzige Ausnahme (Straßenbahnschau) die Allgemeingültigkeit einer These zerstört, also die Annahme, dass Schauungen IMMER nur Unabänderliches zeigen.

Hallo Nickela,

meiner Auffassung nach stellt die Straßenbahnschau keine Ausnahme dar. Eine geschaute Zukunft bleibt determiniert. Um meinen Standpunkt zu erklären, möchte ich ein wenig weiter ausholen.

These 1: Geschaut werden Informationen/Bewusstseinshalte

Ich erlebe zukünftige Ereignisse aus der Ich-Form heraus, meistens ohne Kenntnis darüber, dass ich eigentlich auf der Couch oder im Bett liege. Die Erlebnisse sind sozusagen wie aus erster Hand vorab gesehen.
Die naheliegende Annahme, ich wäre "in die Zukunft gesprungen" und würde nun wie ein Geist in meinem zukünftigen Körper sitzen, hat sich jedoch als falsch erwiesen. Denn die Situationen, die ich erlebe, sind ein Konstrukt meiner Vorstellungskraft.
Die Vorstellungskraft aber erfindet die "Schauungen" nicht aus blauem Dunst heraus. Ihr liegen Informationen zu Grunde, die es aus dem Bewusstsein meines zukünftigen Ichs erhält.
Eine Information ist jeder Sinneseindruck, z. B. das Sehen einer Wiese mit bestimmten Grashalmen. Je nachdem, was mein zukünftiges Ich gerade aufmerksam aufnimmt. Weitere Informationen sind auch Emotionen und Gedanken, die sich im geschauten Augenblick in mir abspielen. Kurz: eine Information ist jeder Bewusstseinsinhalt. Je klarer der Bewusstseinsinhalt ausgeprägt ist, desto deutlicher kann ich ihn sehen.

Ein "Schauungsunerfahrener" kann dies experimentell nachempfinden, wenn er beim Lesen kurz inne hält, sich fragt: "Was sehe ich und wo? Was höre ich und von wo? Was fühle ich auf meiner Haut? Was kann ich riechen? ... " und jedes mal kurz aufmerksam inne hält. Dieser "Fokus-Augenblick" wird später der Erinnerungsfähigkeit nun wesentlich leichter zugänglich sein, weil die "Informationen" klar und aufmerksam im Bewusstsein "aufleuchten" (entschuldige die bildhafte Sprache).
Emotionen haben einen ähnlich prägenden Effekt.
Interessant hierbei: die visuellen Informationen sind in der Regel jene, die am besten haften bleiben, weil wir für sie am aufmerksamsten sind (das haben viele Untersuchungen gezeigt). Es sind auch die, die am ehesten geschaut werden.

Auf die Zukunft bezogen scheint dieser Prozess ähnlich abzulaufen. Bei mir jedoch in der Regel im Schlafe bzw. bei Experimenten mit der "Außerkörperlichkeit".
Mein Geist verpackt dann alle aus dem zukünftigen Bewusstsein gewonnenen Informationen zu einer harmonischen Gesamtheit. Wenn visuelle Informationen vorliegen, so bildet er diese darin ab. Gibt es Irrtümer in der visuellen Auffassung (z. B. wenn ich eine Farbsehschwäche habe und ein blaues Auto für ein grünes halte, was mir erst viel später auffällt), werden die ebenso "objektiv falsch" abgebildet (ich sehe in der "Schau" ein grünes Auto). Alles, was an Information vorliegt, wird in das rekonstruierte Bild eingewoben. Auch Emotionen und Gedanken.

Ich schrieb einmal davon, dass ich vorabträumte, wie jemand mit mir mein Brennholzlager sichtete und er mir erklärte, dass noch Platz für drei rm wären.
Wie sich zeigte, hat mein Gehirn alle Informationen eingewoben, die es aus einem unerwarteten Telefonat, das ich am nächsten Tag mit meiner Frau geführt habe, gewonnen hat. So war es nahezu vollständig zutreffend - bis auf den Umstand, dass ich eben gar nicht anwesend war. Aber während des Telefonates habe ich die Schilderungen meiner Frau so aufmerksam aufgenommen und in mein Bewusstsein gerückt, dass es zu einem wie-selbst-erlebt-Inhalt wurde.

These 2: Fantasie darf verändern

Das obige Beispiel zeigt, dass mein Geist es mit der "objektiv-kamerahaften Abbildung" nicht so eng nimmt und notfalls aus Fantasie ergänzt, wo etwas ungenau wird.

Da Augenblicke von Schmerz und Angst häufig Bewusstheit fördern und somit einen schaubaren "Fokus-Moment" schaffen, sehe ich entsprechend oft auch unangenehme Ereignisse, auch aus dem Leben bekannter sowie mir bisher fremder Personen.
Nun habe ich keine Beobachterdistanz und erlebe die "Bewusstseinshalte", mithin also die gesamte Situation, wie sie sich für jemanden darstellt, als seien es meine eigenen. Früher war das sehr belastend für mich. Je häufiger ich solche Träume hatte, desto häufiger merkte ich ab einem gewissen, für mich seelischem Belastungsmaximum, dass ich sie abbrechen oder wenigstens in eine angenehmere Richtung lenken konnte.
Wenn ich das tue, ist es als ob ich eine "Spur" verlasse; als ob ich aus einem fremden Auto aussteige und wieder mit dem eigenen Auto fahre. Allerdings als schleichender Prozess. Obwohl die Bilder dann qualitativ gleich aussehen mögen, merke ich, dass meine (von mir bewusst gesteuerte) Fantasie nun mehr und mehr das Rüber übernimmt.
Das ist für mich die einzige "Fluchtmöglichkeit", denn gezielt aufwachen kann ich aus so einer Situation nicht. Selbst wenn mir bewusst wird, dass ich eigentlich jemand anders in einer ganz anderen Situation bin und im Bett liege.

Diskrepanzen in der Straßenbahnschau

Ich denke, dass der veränderte Ausgang der Straßenbahnschau keine "Zukunftsoption" war, sondern eine fantasievolle Darstellung des schauenden Geistes.
Alle relevanten Informationen zum Ereignis, bei dem die Bewusstseinsfokussierung bestand, sind gesehen worden. Danach verebbte der Fokus-Augenblick. Was als innerer Einblick beim Schauenden blieb, war wohl Angst vor Gewalt des Kriminellen. Diese hat zum Zeitpunkt der Schau, die ohnehin zu Ende war (das fremde Auto wurde gleichsam verlassen), zur Darstellung eigener Fantasien geführt, die die Angst widerspiegelten.
Das Aufsteigen aus dem Körper ist dabei ein natürlicher Prozess, der jedem von uns und damit auch seiner Fantasie zutiefst vertraut ist (allein schon aus dem allnächtlichen Schlaf).

Gibt es "Zukunfts-Optionen" und kann man diese sehen?

Meiner Erfahrung nach ist ein geschauter, zukünftiger Bewusstseinsinhalt fix. Da lässt sich nicht dran rütteln und er wird sich realisieren. Darauf weisen auch alle Versuche hin, geschaute Zukunft zu verändern. Nickela, du hast ja selbst etwas angeführt, dass sogar nur eingetroffen ist, weil du es vorab gesehen hast.

Wie ließe sich dennoch eine korrekt geschaute, aber nicht eingetroffene Zukunftsoption nachweisen? - Einzig in einer Schau, die während des Ablaufs des nicht eingetretenen Inhalts Informationen vermittelt, die sich später (Tage oder Wochen) als zutreffend erweisen.
Zur Verdeutlichung ein konstruiertes Beispiel für die Straßenbahnschau:

BBs Sohn liegt verblutend auf dem Straßenpflaster. Er sieht, wie seine zwei Freunde Peterle und Hansi mit grünen Tüten bepackt vorbeikommen, ihn sehen und zwecks Hilfeleistung zu ihm stürzen.
Zwei Wochen stellt BBs Sohn in einem Gespräch mit Peterle fest, dass die beiden tatsächlich zur angegebenen Zeit am angegebenen Ort waren. Sie waren einkaufen und voll bepackt mit grünen Tüten aus dem Laden X.

So etwas hat es bei mir noch nicht gegeben, daher bleib ich beim Schauungs-Determinismus. Falls aber ein Mitleser hier etwas Ähnliches wie im konstruierten Beispiel beschrieben erfahren hat, bitte sofort mitteilen :-)

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Und es scheint eine Art inneren "Sendereinstellknopf" zu geben, denn ich sende nicht an alle oder empfange nicht von allen, sondern nur an/von manchen, und auch nicht immer, sondern nur unter bestimmten Bedingungen.

Können wir die Bedingungen herausarbeiten, wann wir senden oder empfangen, und von wem oder an wen?

Habe ich für mich bereits versucht. Zum "wann":
- Der eigene Zustand muss locker sein, nicht zielgerichtet. Sorgen und Gedanken aus dem Alltag sollten einen nicht belasten. Ansonsten hält man, um beim Autogleichnis zu bleiben, das Lenkrad des eigenen Geistes zu fest in der Hand.
- Wenn man durch seinen Verstand motiviert versucht, gezielt zu sehen, wird man scheitern. Denn gerade durch diese Absicht krallt man sich am eigenen Lenkrad fest.
- Alkohol und übermäßiger Nahrungsaufnahme schwächen die Aufmerksamkeit. Ebenso intensive Lebensmittel.
- Intensiv erlebte Augenblicke mit erhöhter Aufmerksamkeit, etwa durch lockere Freude oder liebevoll-sehnsüchtige Stimmung, werden besonders deutlich gesehen. Auch Angst und Schmerz fokussieren. Wut und Ärger scheinen hingegen hinderlich, als würden sie einen aus der Gegenwart herausreißen.
- Selbst erlebt: Man kann Person A am Tag 1 in seinem Traum vor bestimmter Kulisse in bestimmter Situation treffen und bestimmte Dinge sagen/tun. Person B hat an Tag 3 den selben Traum. Person A und B unterhalten sich später und stellen fest, dass sich ihre Träume absolut decken. Für Beide war der Traum Gegenwart.

Zum "wer":
- Man selbst ist sich (auch als zukünftiges Ich) am nächsten.
- Je häufiger sich eine Person in den obig als günstig genannten Zuständen befindet, desto klarer können ihre Bewusstseinsinhalte auch von anderen wahrgenommen werden
-- Auch Träume sind Bewusstseinsinhalte.
- Sympathie fördert die Verbindung.
- Regelmäßiges Beisammensein fördert die Wahrscheinlichkeit einer Verbindung (erst recht im Einklang mit Sympathie und einem "gut-fokussierten" Menschen).
- Ähnliche Bewusstseinsstrukturen scheinen Verbindung zu schaffen - auch über das persönliche Bekanntsein hinaus. Man kann sich nie im Leben getroffen haben und doch ist man verbunden und sieht Ausschnitte aus dem Leben und inneren Erleben anderer, die einem ähnlich sind. Inwiefern da die esoterischen Behauptungen von "Seelenverwandtschaft" hineinspielen, kann ich nicht sagen.
- Es gibt Kontakt zu denen, die gar keine Menschen (mehr) sind.

Und können wir herausarbeiten, was die (um BBs Begriffe zu verwenden, die ich einem einzigen Phänomen zuordnen möchte) Bedingungen für Schauung und Prophezeiung unterscheidet, wann man also seine Zukunft ändern kann und wann nicht?

Ich gehe da mit BB konform: was geschaut ist, ist fix. Was prophezeit ist, ist offen.

Viele Grüße.


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