estimated guesses... (Schauungen & Prophezeiungen)

detlef, Sonntag, 01.04.2012, 01:22 (vor 4997 Tagen) @ Morpheus (6164 Aufrufe)

moin,


Wie stellst du die Praxistauglichkeit deines Bootes und die Vollständigkeit der Ausrüstung sicher?

in der hauptsache durch zehnjaehriges fragen, lernen, planen, umplanen.


Ich stelle mir das sehr schwierig vor. Selbst mit einem Serien-Boot, das schon unzählige Male gebaut wurde, würde ich niemals ohne ausführliche Probefahrten auf eine Hochseereise gehen. Bei einem Einzelstück wie deinem reichen sicher nicht einmal wenige Probefahrten aus. Vielmehr hast du sicher systematische Tests bei unterschiedlichen Wind- und Wellensituationen durchgeführt. Oder verlässt du dich vollständige auf Simulationen im Wellen-Windkanal mit Modellen und komplexe Computer-Simulationen. Aber wie hast du die dortigen Ergebnisse danach ggf. überprüft, denn es darf ja keine Abweichungen zwischen berechneten Modell und praktischer Ausführung geben. Und ich weiß, dass wenige irrtümliche Zentimeter Abweichung ein Boot komplett manövrierunfähig machen können. Aber da du dich mit dem Schiffbau auseinander gesetzt hast, wird dir das natürlich auch klar sein.

probefahrten..., systematische tests..., wellen-windkanal...

ich leb hier auf dem platten land ca 500km vom naechsten hafen fuer seegaengige schiffe entfernt.
das kann ich also alles knicken.

die form an und fuer sich stammt halt einfach aus der schau.
nachsuchen ergaben, dass diese form im grossen und ganzen erprobt ist.
ob nun bei luftschiffen, tropfenbugbewehrten hochseeschiffen, u-booten, walen, oder alten frachtseglern - 1:3 bei relativ stumpfem bug ist eine erprobte sache. natuerlich nicht fuer hochgeschwindigkeitsregatten.
das hauptproblem ist der prohibitive preis fuer gebogene platten gewesen. deshalb hab ich statt einem runden durchschnitt einen 12 eckigen gewaehlt.

fuer die erste phase waer natuerlich eine kugel die ideale form. fuer die zweite ein langes schlankes schiff mit wenig tiefgang.
die 1:3 masse sind also ein kompromiss zwischen den verschiedenen anforderungen.


Neben der reinen Funktionstüchtigkeit, kommt dann auch noch die Benutzbarkeit hinzu. Also Erfahrung mit den unterschiedlichen Segelmanövern und die Durchführbarkeit dieser Manöver auch bei ungünstigen Wettersituationen. Da muss man auch umfassend probieren und meist mehrfach umbauen, bis es bei einem derart komplexen Zweimaster alles funktioniert.

da das boot nicht auf hohe reisegeschwindigkeit ausgelegt ist (die idee ist, ca 1,5 bis 2 jahre rumzuschippern, bis sich die beben etwas gelegt haben), hab ich fuer schlechtwetter als hauptloesung den treibanker vorgesehen. (luken dicht, und abreiten)
die gaffelsegel und das vorsegel sind relativ einfach zu bedienen, die rahsegel werden wir wohl nur bei absolutem schoenwetter benutzen.
ich ab, soweit mir moeglich, die moeglichkeiten fuer nachtraegliche aenderungen offen gehalten.
ich hatte schon mal ueberlegt, zum ueben eine platform in den abmessungen des decks mit masten drauf auf einen drehkranz zu montieren, aber das passte schlecht zur diskretion, mit der ich ansonsten vorgegangen bin.
(ich weiss, wie sensibel segelboote auf fehler reagieren. ich hab mal nen katamaran bei einer boe zum kentern gebracht.)


Als letztes sind Material und Verarbeitungsfehler auszuschließen, die in der Praxis selbst bei industrieller Fertigung immer wieder auftreten. Da du ja nach dem "Ablegen" faktisch nicht mehr nachbessern kannst, muss du die Qualitätssicherung ja wie bei einem Weltraumflug handhaben.

tjö, ich hab zwar ein kleines schweissgeraet, und nen diesel mit generator, aber das reicht nur fuer kleinigkeiten. materialfehler = arschkarte.
verarbeitung - wenn da fehler drin sind, dann welche, die meine kenntnisse ueberschreiten.


Eine große Anzahl wirklich sehr komplexer Aufgaben, die du da bewältigt hast oder die noch vor dir liegen; Respekt. Schreib bitte mal, wie du vorgegangen bist oder vorgehen wirst. Ich bin ernsthaft gespannt und schon jetzt beeindruckt, wie du das bislang alles hin bekommen hast.

nu ja, von den ersten ernsthaften planungen bis zur jungfernfahrt (wenn es wirklich ende 2012 werden sollte) ist ja ein gutes dutzend jahre vergangen.
fast nix ist so komplex, dass man es nicht in kleinere happen aufdroeseln kann.
am unsichersten fuehle ich mich von anfang an bei dem zeug, was nicht mechanisch zu begreifen ist, so wie funk und radar. da hab ich immer noch keine entscheidung getroffen.
mechanische materialtests dagegen kann man dagegen sehr gut selbst erledigen. (z.b. mit nem traktor)

und jetzt noch ein paar totschlag-argumente:

wenn meine schauungen falsch sind, kommts nicht drauf an, ob das ding funktioniert.
wenn sie zutreffend sind, bedeutet das, dass mir "irgendwer" die schauungen gezeigt hat, damit ich baue. wenn dieser "irgendwer" will, dass es nicht klappt, koennte ich bauen, wie ich will, es wuerde nicht reichen.
andersherum, wenn dieser "irgendwer" will, dass es klappt, hat er mir (hoffentlich) die richtigen denkanstoesse in den schauungen gegeben.

wenn meine interpretationen zu den schauungen einigermassen richtig sind, waere die alternative zum boot - schlicht und einfach hier in der wueste zu ersaufen, oder wo anders wahrscheinlich durch wasser oder vulkane einzugehen.
also hab ich mit der realisierung dieses bootes ja nix verloren, was sonst nicht sowieso verloren waere.

gruss,detlef


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