Michalda (Schauungen & Prophezeiungen)

IRAN, Samstag, 22.02.2025, 14:15 (vor 141 Tagen) @ BBouvier (4005 Aufrufe)

Hallo BB -

irren ist menschlich, ein jeder von uns hat dafür ein paar Freikarten. Falls Selbstzweifel am eigenen Irren aufkommen, bitte einfach selber weiter recherchieren (etwa beim Waldviertler oder bei Bariona anfragen, ob ihnen der Stuttgarter tatsächlich bekannt ist und wie sie ihn einschätzen).

Vor einiger Zeit hast Du, die Michalda und König Salomo paraphrasierend, die Mitschreiberin @Rauhnacht sehr hart angegangen, was ich unfair empfand, jedoch nichts zur Sache tut - mich aber motiviert hat, der Sibyllengeschichte nachzugehen (Vorsicht Schreibweisen: Sybi... und Siby... und Sibi ...).

Ich habe nun aus der SUB Göttingen einen Druck aus dem Jahr 1900 (Digitalisat); es gibt in der DNB in Leipzig einen noch älteren (1870 - aber man digitalisiert dort gerade nicht). Die ältesten nachgewiesenen Drucke in tschechischen Bibliotheken stammen von 1848 (deutsch und tschechisch).

Ich habe mir außerdem die Habilitationsschrift von Peuckert besorgt (Herausgeber Handwörterbuch Deutscher Aberglaube / nur als Digitalisat von der SUB für 15 € bei 9 GB pdf-Größe oder 11 GB jpeg), die sich ausschließlich mit den Sibyllenbüchern und ihrer Tradition in alten Drucken und Sagensammlungen befasst. Die 13. Sibylle Michalda ist nach seiner Auffassung kurz nach den napoleonischen Kriegen entstanden. Sie hat Wurzeln in der mittelalterlichen Sibyllensage, im 'Blinden Jüngling' von Prag sowie in der Volkssage. Volkssage heißt in diesem Fall: es gab, wie heute, auch früher schon Menschen die Schauungen hatten und diese gelegenlich äußerten. Solche Äußerungen wurden weiterverbreitet, es wurde weggelassen, hinzugedichtet, umgebogen und verfälscht ... **)

Was mich an der 13. Sibylle stutzig gemacht hatte (und das war der eigentliche Grund meiner Recherche), ist die dort zu findende Totalzerstörung von Prag. Ich wollte wissen, was dafür die Quelle ist. Peuckert hat darauf auch keine Antwort (außer der Volkssage ...), allenfalls zeigen sich ihm Spuren, die in den Raum Salzburg und zu den Untersbergsagen weisen. Letztere wurden in diesem Forum (so weit ich weiß) noch nicht intensiv behandelt, obwohl es eine Menge Literatur dazu gibt.

Es gibt also offensichtlich eine sehr frühe Prophezeigung zur Totalzerstörung von Salzburg (älteste Quelle habe ich noch nicht identifiziert), aber es ist unklar, ob sie auf Prag abgefärbt hat (und das vor dem Jahr ~1820) oder ob es auch umgekehrt war. Gleicher Art Abfärbungen könnte man dann auch für die böhmischen Zerstörungs- und Naturkatastrophenweissagungen (bis hin zu den Feldpostbriefen, Hiasl etc.) in Betracht ziehen, da sie ja regional benachbart sind.

Auf der sicheren Seite ist man natürlich, wenn man behauptet, die Vernichtung von Prag sei eine fälschende Übertragung von Sodom und Gomorrha. Älter geht's dann nicht mehr ...

Manfred Böckl verwendet in mehreren seiner Bücher einen Text zur Sibylle, den er auf 1616 datiert und in Eger (heut Cheb) herausgegeben sein lässt (er will ihn selbst übersetzt und weitere Quellen zur Sibylle im böhmischen Raum recherchiert haben). Eine Druckschrift mit dem von ihm angegebenen Titel und vom Jahr 1616 gibt es aber nicht bzw. ist nicht nachgeweisen. Es ist mir insofern nicht klar, woher Böckl seinen Text hat, falls er nicht freie Erfindung ist (werde mich aber weiter bemühen). Die Texte Böckls tragen aber nichts (für unsere Gegenwart) Neues bei und sind insofern nicht wichtig. Sie beschreiben nur Einzelheiten, die vernächlassigbar sind: dass der Glutball auf den Vysehrad fällt und nicht auf den Hradschin - und dass es um 11 Uhr passieren wird ...

Grüsse und ein schönes Wochenende wünschend, IRAN

*) zB. gibt es seit einiger Zeit einen Youtube-Kanal MYSTINARIUM, deren Betreiberin ganz ungeniert zugibt, von ihrer fortlaufenden Neuveröffentlichung alter Prophezeiungen ihr Leben (wirtschaftlich gesehen) zu bestreiten. Hin und wieder streut sie auch Schauungen von noch lebenden Leuten ein, die ihr dieselben zuschicken, siehe etwa hier:

https://www.youtube.com/watch?v=qEYnhjgBLTk

(hört sich nicht gerade an, wie wenn die dort visionierten russischen Panzer zu dem Zwecke heranrollten, in einem vom Bürgerkrieg gebeutelten Deutschland wieder Ordnung herzustellen ...)


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