... oder Dummheit oder das i-Tüpfelchen einer ganz raffinierten Fälschung!
Hallo Ulrich -
ich würde meinen, dass man Deine (durchaus berechtigte) Frage deshalb nicht schlüssig beantworten kann, weil die Rechtschreibung von Rill insgesamt unterirdisch ist. Dankenswerterweise hat ja Taurec ein direktes Transkript in die Bibliothek des Forums gestellt. Dort kann man Rills Schreibstil nachprüfen. Deshalb habe ich ja auch in einem parallelen Beitrag mit Ironie geschrieben, man müßte sich die Schulzeugnisse von Rill ansehen (die oft auch Bemerkungen zum Charakter des Schülers enthalten ...).
Die Worte 'wieder' und 'wider' kommen nach Grimms "Deutsches Wörterbuch" aus der selben Wurzel und wurden bis ins 18. Jahrhundert auf beide Weisen geschrieben (und heute auch wider ...). Im täglichen bayerischen Mundartgebrauch ist das 'wider' (als 'entgegen') wahrscheinlich selten, und im Brief ist vom Kontext her eindeutig "wieder" gemeint. Vorausgesetzt der Schreiber (! - wegen der Handschrift- Papier- und Situationsidentität) ist bei beiden Briefen derselbe, dann dürfte der Wechsel in der Schreibweise angesichts der erkennbaren Schreib(un)fähigkeiten Rills wohl Zufall sein. Die andere Option wäre (wenn der zweite Brief in einer ganz anderen Zeit geschrieben worden wäre), dass Rill die Schreibweise des Wortes "wieder" im Lauf des Lebens geändert hat (warum sollte er?). Und wäre der 'Fälscher' des zweiten Briefes gar nicht Rill selbst gewesen (das wäre dann zugleich ein Handschriftenfälscher?), dann erhebt sich die weitere Frage, warum der die anderen Schreibfehler von Rill so getreulich nachgemacht hat, das aber bei "wi(e)der" unterlassen hat. Ging ihm der Kaffee aus oder wurde er nicht angemessen bezahlt?
Ich habe im parallelen Beitrag geschrieben, dass man bei der "Fälschungshypothese" (als deren eine Option) auch annehmen sollte, dass Rill selbst gefälscht hat. In diesem Falle würde ich spekulieren, dass er bei seinem Arzt war und ihm den ersten Brief gezeigt hat (der aber auch schon eine Fälschung sein kann). Und dann wurde er vielleicht gefragt, ob ihm noch was einfällt (aus dem Gedächtnis natürlich ...). Paar Jahre später könnte er dann mal wieder gekommen sein, weil er noch einen zweiten Brief gefunden hat - oder so ähnlich ...
Wenn es eine verschwörerische Fälschergruppe gegeben hat (Arzt Arnold und den Priester Renner und fünf weitere böse Volksangstmanipulierer unter dem unheiligen Stuhl 13), dann müssten die sich die ganze Story, angefangen vom ersten Weltkrieg und der Einquartierung und dem Lagerfeuer selbst ausgedacht haben und den Rill als Manchurian-Candidate über Jahre hinweg 'geführt' haben. Das kommt mir etwas weit hergeholt vor. Wenn Fälschung, dann ist Rill aktiv mit dabei (aufschneiderisch?). "Wer also hat gefälscht?" - das war meine Ausgangsfrage hier an BB. Bei der Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft gelten Fälle erst dann als (vorläufig) gelöst und gerichtsverwertbar, wenn neben Ideen und Indizien und Spuren auch ein klarer Tathergang sowie potentielle Täter konstruiert werden können.
Was die inhaltliche Seite angeht, so ist der einzige Punkt, der mich noch interessiert, nämlich die Dreizahl der Kriege, keineswegs so eindeutig, wie Du das schreibst. Auch wenn die Zählung und der Begriff (Welt-) Geschehen erst im zweiten Brief klar herauskommen, so könnte man sie auch in den ersten Brief hineinlesen oder aus ihm herausargumentieren. Das Problem ist nämlich, dass Rill die einzelnen Voraussagen und die an sie gekoppelten Zeitangaben genauso durcheinander wirft die seine Buchstaben beim Schreiben. Er sagt zB. dass Russland "zum Schluß" noch kommt, aber man kann nicht klar erkennen, ob das nun am Ende des gegenwärtigen Krieges ist (von 1914 aus gesehen) oder am Ende des nächsten 2. Krieges sein wird (Zahl so im Text von Brief eins!) - oder eben einmal in einer fernen Zukunft, wenn Deutschland (zunächst) erst wieder aufgebaut und aufgerichtet sein wird (wegen seinem Fleiß und seinen guten Führern - und der Hilfe aus der Schweiz ...).
Ich erlaube mir daher, bereits den ersten Brief so zu deuten, dass darin die Rede ist von zwei Kriegen plus einem kurzen Geschehen (überfallartig und mißlingend) in einer ferneren Zukunft. Diese drei Prozesse gehören offenbar zusammen (und das ist das eigentlich Interessante, wenigstens für mich). Ich weise auch nochmals auf den Beitrag von @Gelegenheitsleser hin, der geschrieben hat, dass im Falle einer Fälschung diese nicht wirklich geschickt gemacht worden ist. Kann ja aber sein, dass das eine besondere Raffinesse des Fälschers sein sollte - ganz wie bei dem "wi(e)der" ...
MfG, IRAN